Filmclub 813

Die Ungerechtigkeit der Kulturindustrie

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Im Spiegel der Bilder

Männer halbnackt im Freibad, angezogen in der Uni-Mensa und mit charmanten Frauen in der deutschen Provinz: Der Kölner Filmclub 813 wurde im vergangenen Jahr 20.

Eine Würdigung von Katharina Juliana.

 

 

 

 

 

 

Filmclub_ParkenVerbotenWer hin und wieder die „Humorkritik“ in der TITANIC liest oder direkt randomly einen Abend Privatfernsehen/Öffentliches-Rechtliches einschaltet, der ist ungefähr im Bilde über das, worüber man in diesem Land so lacht. Wenn Romcoms und Stand-Up Comedy (einschließlich des oft zu Unrecht gelobten politischen Kabaretts) nicht völlig harmlos und unlustig sind, dann gehen die Gags meist auf Kosten anderer – ohne allerdings auch nur annähernd die derbe und dabei grunddemokratische (alle sind gleich fies!) Breitseite US-amerikanischen Vulgärhumors à la „Roast of…“ oder den feinen und oft ebenso überdreht albernen Humor einer britischen Gruppe wie Monty Python zu erreichen. Stattdessen: Ätzender Zynismus, dessen zur Berechtigung nötige intellektuelle Überlegenheit eher gegen Null geht, oder gleich Schenkelklopfer darüber, wie Männer und Frauen halt so sind. Rudi Carrell oder Mario Barth. Natürlich gab und gibt es Ausnahmen.

Warum diese lange Herleitung zu einem losen Verbund von Filmemachern, die nicht einmal primär humoristische Ziele verfolgt? Vielleicht, weil Humor dann doch ein Amalgam ist, welches die einzelnen Werke zusammenhält: Einer der ersten Bernhard Marsch-Filme, die ich zusammen mit einem Freund im Rahmen eines Mono-Screenings sehen konnte, war großartig beknackt und lustig, aber er hatte nichts von alldem, was ich an deutschem Humor oft so verachte. Von der Handlung weiß ich gar nicht mehr allzu viel; der Filmemacher versucht unter derb rheinländischem Gefluche ein TV-Gerät in seinen Wagen zu packen, nimmt zwei Hippie-Anhalter mit, fährt diese durch die Provinz seiner Kindheit und lässt sie schließlich im Freibad zurück. Das Gros der Komik ergibt sich tatsächlich aus den einzelnen Situationen, weshalb jede bloße Nacherzählung scheitern muss – und aus dem Mut, auch unlustig sein zu können. Im Laufe des Abends lief da so allerhand über die Filmrolle, und längst nicht alles davon war ulkig, besonders oft sah man: halbnackte Männer im Freibad, angezogene Männer in Diskussionsrunden, Musikvideos, kurze Spielfilme, Experimentelleres aus den frühen Filmjahren von Marsch (der damals wie eine sympathische Version des jungen Mick Hucknall ausschaute) und somit aus den Gründungsjahren des Filmclub 813, der vor 20 Jahren in Köln entstand und der natürlich weder Humorverein noch dogmatischer Künstlerzirkel, sondern in erster Linie eine Institution zur gegenseitigen Unterstützung filmischen Arbeitens darstellt.

Filmclub_NotausgangNeben Bernhard Marsch gehört Rainer Knepperges zu den Gründungsmitgliedern der ersten Stunde. Einiges haben die beiden zu zweit oder mit anderen gedreht, darunter das großartige „8 ESSEN III“, in dem eine Gruppe altkluger Langzeitstudierender in der Mensa miteinander diskutiert. Auch hier: Unmöglich, das Ganze nachzuerzählen; die absurden Dialoge werden von den Schauspielern, oft Freunden oder losen Verbündeten aus dem Filmclub, gemeinsam entwickelt und erst dann irgendwann aufgezeichnet. Vieles ist ein bisschen spröde und sperrig, das Komische bahnt sich erst so langsam seinen Weg.
Eine Neuauflage der erörternden Männerrunde gibt es mit „Tour Eifel“, einem kaum minder fantastischen Kurzfilm, den man als eine der wenigen Arbeiten des Filmclubs auf DVD beziehen kann: Als Extra von „Die Quereinsteigerinnen“, dem Überraschungserfolg von Christian Mrasek.

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Die Tür zum Verborgenen

Der Film wiederum spielt in einer verwunschenen Hütte im Sauerland , in der der Telekom-Chef (gespielt von Knepperges) von zwei jungen Damen festgehalten wird und zwischendurch immer wieder zu entkommen versucht. Das hat ein bisschen was von Klaus Lemke, dem Maestro des deutschen Anti-Filmförderungs-Films – der übrigens selbst einen kurzen und über-coolen Auftritt auf der menschenleeren Dorfstraße hat -, ohne auch nur annähernd an dessen street cred und Realo-Härte Interesse zu zeigen, und ein bisschen was vom einem mit dem Camcorder gedrehten Anarcho-Klassenfahrtsvideo. Auch dieser Film ist bisweilen großartig komisch und sehr oft albern, aber gerade hieraus ergibt sich dann auch eine Aufrichtigkeit, die vielen ernstgemeinten Filmen hierzulande so abgeht: Wenn die beiden Protagonistinnen Barbara (Nina Proll) und Katja (Claudia Basrawi) sich vom Telekom-Obersten (der ganz so ausschaut, wie man in der Theater-AG den Chef eines großen Konzernes ausstatten würde) beim Verfassen eines Erpresserbriefes helfen lassen und dabei nicht nur die gelben Telefonzellen zurückwünschen, sondern auch ihre Unzufriedenheit mit dem Kapitalismus zum Ausdruck bringen, dann ist das letztlich doch sehr viel tiefer als all das, was am Ende noch ganz und gar ernstgemeinte Filme wie „Die fetten Jahre sind vorbei“ zu sagen haben.

Schließen wir mit einem Hinweis auf die Ungerechtigkeit der Kulturindustrie: Ihre zahlreichen Vorzüge gelten dann letztlich doch nur für das, was ohnehin schon einigermaßen verfügbar ist. Die Produkte des Filmclub 813 sind’s zu einem Großteil und mit Ausnahme von Erfolgen wie „Die Quereinsteigerinnen“ nicht – da hilft auch kein Youtube, sondern nur hingehen: Unregelmäßig gehen die Filmemacher auf Reise, zeigen Filme im Kollektiv oder als Einzelaufführung. Trotzdem bleibt der Wunsch, den ein oder anderen Film eben doch nochmal zu sehen und anderen zeigen zu können.
Anfrage beim Filmemacher Marsch: Ob es denn denkbar sei, seine Arbeiten, die übrigens auf 35mm gezeigt werden, irgendwann auf DVD zu bekommen? Zum Beispiel für viel Geld? In letzterem Fall, so die Antwort, könne man darüber sprechen. Fair enough.

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Die Filme der Anderen

 

 

 

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