Record of the weekend

Real Estate “In Mind”

00000000000000 (1)Real Estate
„In Mind“
Domino Records / GoodToGo
VÖ: 17.03.2017

Vor drei Jahren sahen sich eingefleischte Fans der Band Real Estate gewissermaßen am Scheideweg: Die Release von „Atlas“ stand an. Nach dem selbstbetitelten Debut und der Durchbruchsplatte „Days“ nun also Album Nr. 3 – eben jene Platte, die für viele Bands so richtungsweisend ist: Wird es einen Stilwechsel geben oder bleibt man dem Trademark-Sound treu? Letzteres war der Fall: Das auf „Atlas“ dargebotene Rezept war bekannt, aber die Songs – darunter stille Hits wie „Talking Backwards“, „Primitive“ oder „Crime“ – boten Songwriting höchster Güteklasse und entzogen sich damit – trotz fehlendem Mut zur Innovation – jeglicher Kritik.
Nun also die Platte nach der dritten Platte. Als Titel wurde „In Mind“ gewählt. Was die Band wohl „im Sinn“ hat?
Der Opener „Darling“ dürfte jedenfalls zunächst einmal die langjährigen Fans erfreuen: Man hört man die typischen Markenzeichen heraus: Idyllische Gitarren, entspannter Rhythmus, die Grundstimmung ist gewohnt sommerlich-melancholisch. Allenfalls etwas mehr Bass-Groove lässt sich verorten. Im Westen erstmal nichts Neues. Und das trotz entscheidender personeller Veränderungen: Als Produzenten holte man sich für „In Mind“ erstmals Cole M. Greif-Neill ins Boot, der sich seinerseits für nichts weniger als die letzten drei Alben von Julia Holter, wie auch das Grammy-Gewinner-Album „Morning Phase“ von Beck, verantwortlich zeigte. Doch auch in der Band selbst gab es Veränderungen: Mit Julian Lynch kam ein neuer Gitarrist in die Band um das abgewanderte Gründungsmitglied Matt Mondanile zu ersetzen. Mondanile hatte bereits 2015 ein Album mit seinem eigenen Projekt „Ducktails“ veröffentlicht, 2016 erklärte er dann den Austritt aus Real Estate. Der Positionswechsel an der Gitarre ist besonders bei den rockigeren Stücken spürbar. Lynch spielt mit deutlich mehr Verzerr-Effekten – ein gravierender Unterschied zu dem überaus „cleanen“ Gitarrenspiel Mondaniles. Das hört man in Stücken wie „Serve the Song“ sehr gut, am deutlichsten wird es aber sicherlich in dem fast siebenminütigen Stück „Two Arrows“, das man getrost als das Centerpiece des Albums bezeichnen kann. Auf die anschleichende, eher entspannte erste Hälfte des Songs, folgt ein ausgedehnter Instrumentalteil im zweiten Teil, der nicht nur wegen der vergleichsweise harten Gitarre, sondern auch durch die Retro-Produktion des Songs, etwas an Neil Young zu „Everybody Knows This is Nowhere“-Zeiten erinnert.
Dass das Quintett aus New Jersey auch auf „In Mind“ keinen krassen Wandel vollzieht, dürfte den meisten schon vorher klar gewesen sein. Mehr als die Erweiterung des Instrumentenrepertoires um einen Synthesizer (höre: „Holding Pattern“) oder bereits erwähnte rockigere Gitarre war dann doch nicht drin.
Wie auch schon auf „Atlas“ lässt sich dennoch wieder viel Lob für die Band finden, auch wenn auf „In Time“ die Hitdichte etwas geringer ist. Der ausgereifte, ja irgendwo gar perfektionierte Sound überzeugt immer noch, die gebotene Grundstimmung der Platte löst weiterhin Wohlgefallen aus und ausreichend gute Songs findet man ebenso: Stellvertretend zu nennen wären die Album-Highlights „White Light“ und „Saturday“.
Fazit: Real Estate liefert wieder solide bis stark ab, sollte aber nicht zum Dienstleister für Sunshine-Indie werden. Allzu große Gefahr besteht hier aber (noch) nicht.
Randbemerkung: Was übrigens auch immer noch gleichbleibt: Der Bandname Real Estate lässt sich genauso fürchterlich googlen wie noch vor drei Jahren. Überboten wird dieser in negativer Hinsicht nur durch den Namen der Band „The Internet“. Probiert es aus – es wird euch in den Wahnsinn treiben.

Florian Kölsch

Service-Tipp: Wer die immer noch entspannten, melancholischen Klänge von Real Estate live erleben möchte: Real Estate spielen dieses Jahr zwei Konzerte in Deutschland: Am 18. Juni im Lido in Berlin und am 19. Juni im Molotow in Hamburg.

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