Record of the Week

Planetary Assault System „Arc Angel“

cover_planetary-assault-systemsPlanetary Assault System
„Arc Angel“
(Ostgut Ton / Kompakt)

“More than life/
Interested me so /
That I dared to knock/
At the door of the cosmos.”
(Sun Ra, “Door of the Cosmos”)

Es gibt eine handvoll Musiker, die als Begründer eines Futurismus auf der Basis von Techno gelten dürfen. Neben Musikern wie Juan Atkins, Jeff Mills oder auch A Guy Called Gerald, muss Luke Slater (aka Planetary Assault System) hinzugezählt werden. Der Engländer, der Ende der 80er Jahre anfing, sich mit elektronischer Musik auseinander zu setzen, veröffentlicht seitdem unter diversen Aliasen Platten, die geprägt sind von einer Aufbruchsstimmung: in die Zukunft, in das Weltall, auf andere Planeten.

Die 3-fach LP „Arc Angel“ ist die bis dato konsequenteste Übersetzung dieser Flucht vom Planeten Erde, die wir von Luke Slater zu hören bekommen haben. Während das meta-physische Symbol des Erzengels erst in eine falsche Richtung führt, indem es auf einen irdischen-spirituellen Kulturschlüssel verweist, gilt es ihn als Träger einer nicht-erdgebundenen Vision zu lesen. „Arc Angel“ ist nichts anderes als der Name eines Schiffes, das uns in interstellare Räume jenseits unseres Sonnensystems mitnimmt. Denn nur dort, wo die Geschichte der Menschheit neu definiert werden kann, lässt sich Freiheit finden.
Nicht ohne Grund klingt das hippieesk; schon Timothy Leary wusste als Begründer des SMI²LE-Programms, dass die Zukunft der Menschheit an eine SPACE MIGRATION gebunden sein wird. Nicht nur Ressourcen-Knappheit, sondern auch die kaum zu überwindenden Gräben, die die Geschichte gezogen hat, zusammen mit den großen Sprachspielen, lassen die Erde immer unwirtlicher werden. Eine kommende Gesellschaft muss ihr Glück im Kosmos suchen.

Wie solch eine Reise klingen kann, versucht „Arc Angel“ darzustellen:
Neben flirrender Nebulae, schwarzen Löcher oder tanzenden Doppelsternen, wartet noch diverse weitere sonorische Erfahrungen darauf, von den HörerInnen erlebt zu werden. Jeff Mills nicht unähnlich kommen auf einen durch 808 und 909 getriebene Meteoritenschauer zu, deren Ankunft sehr häufig von Glocken begleitet wird. Oder Melodien-Fragmente, die Piano-Lines andeuten. Oder Bleeps und Twirschps, die von der Brücke durch das gesamte Schiff resonieren.

Nicht zu Unrecht könnte man nun anmerken, dass das Nichts, aus dem eigentlich alles besteht, was wir Weltraum nennen, kein Träger von Tönen ist. Vielmehr handelt es sich um eine unendliche Stille. Slater ist sich dieser Problematik bewusst und weiß sie als Herausforderung zu nehmen. So deutet bereits der  erste Track „Cassette“ an, dass es sich trotz der Weltraumthematik wohl doch um kein stellares Field-Recording handelt. Außerdem zeigt das Plattencover eine Welt voller psychedelischer Elemente (wo wir wieder bei Leary wären), die dann doch weniger einem anderen Planeten als mehr dem schon vorliegenden Meeresboden ähnelt. Dass sich technoider Futurismus auch im Wasser wiederfinden kann, zeigten schon Drexciya. Und dass Wasser ein hervorragender Träger für Schallwellen ist, sollte als bekannt vorausgesetzt werden.

Wo die „Arc Angel“, wenn wir von ihrer Schiffhaftigkeit ausgehen, denn nun schwimmt, schwebt oder treibt, bleibt unserer eigenen Fantasie überlassen. Eins ist aber sicher: diese anderthalbstündige Reise trägt uns voran. Vielleicht Millionen von Lichtjahre weit, vielleicht aber auch nur auf die nächste Tanzfläche.

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