Linus Volkmann

„Also seit ich selbst eine Tochter habe…“ Wenn Männer plötzlich Feminismus entdecken

Nicht falsch verstehen, jede Erkenntnis besitzt ihren Wert. Gerade wenn es sich bei den Betroffenen um Männer handelt, denen aufzugehen scheint, dass sogar Frauen ein gewisses Maß an Unversehrtheit oder gar Respekt zusteht. Diese revolutionäre Erkenntnis scheint für viele Typen allerdings an strenge, persönliche Anforderungen geknüpft. In Diskussionen zu erkennen an dieser Einleitung: „Seit ich selbst eine Tochter habe, ist mir folgendes bewusst geworden blablabla [pathetische Emo-Scheiße] blablabla…“ Eine Mini-Glosse von Linus Volkmann.

Diese Haltung besitzt natürlich etwas rasend Egozentrisches. Dennoch findet sie sich im Wust der noch schlimmeren Meinungen im Netz gern mal abgefeiert: „Ach, er ist jetzt Daddy!“, „Am Wochenende geht er auch (ein)mal auf den Spielplatz mit der Kleinen.“
Ja, klar.
Allerdings entlarvt dieser vereinnahmende Blick auf die eigene Tochter doch eher das eigene, verkorkste Mann-Sein. Denn als Vater einer Tochter muss er in allen anderen Männern sich selbst sehen: Also den unemanzipierten Otto, mit eher genervter Haltung zum Thema Frauenrechte.
All diese unangenehmen Männer, die er selbst ist, all diese Horden bedrängen in seiner sonst so mageren Vorstellungskraft jetzt seine Brut – mit ihrem uferlosen Samenstau. Grundgütiger! Können die bitte von Staat oder von den sonst so geschmähten Feministinnen gestoppt werden?

Es ist schon bitter, diesen Umstand, das eigene Verhalten plötzlich im Spiegel sehen zu können, nicht als Chance zu begreifen. Als Chance, sich selbst zu hinterfragen, als Chance, mit der eigenen Männlichkeit anders umzugehen. Nein, stattdessen ist die Antwort auf die entdeckte Bedrohung „Mann“ stets ein mehr oder weniger grober Protektionismus. Also: „Wie kann meine Tochter vor Männern, wie ich einer bin, geschützt werden?“ In reaktionären Kreisen hat man es da recht leicht. „Alle männlichen Flüchtlinge bitte wieder zurück ins Meer senden, #sorry_guys! Aber i weiß halt, was ihr vorhabt!“
Aber auch in vermeintlich aufgeklärteren Zusammenhängen folgt nach dem Entree „Seit ich selbst eine Tochter habe…“ eigentlich selten etwas, nach dessen Lesen man sich nicht mit einer Dachlatte auf den Kopf hauen wollte.

Und ansonsten gilt, was die Autorin Margarete Stokowski letztens bei einer Veranstaltung zum Thema sagte: „Wenn mir Typen sagen, jetzt, wo sie eine Tochter haben, können sie Frauen verstehen – dann frage ich mich, hatten die eigentlich keine Schwestern, Partnerinnen oder Mütter?“

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