Linus Volkmann

“Rettet die Täter!” Über antifeministische Querfronten

Die Gesetzesänderung im Sexualstrafrecht ist durchgegangen. Mit großer Mehrheit und auch mit Stimmen der Opposition stimmte das Parlament dafür, dass auch ein geäußertes “Nein” reicht, um einen sexuellen Übergriff als solchen strafrechtlich relevant zu machen. Auch wenn das Opfer sich aus Angst nicht wehrt, weint oder anders deutlich wird, dass es sich gerade um einen einseitig durchgesetzten Willen oder, klarer gesagt, um eine Vergewaltigung handelt, auch dann greift nun das Gesetz. Was wahrlich nachvollziehbar und eindeutig klingt, was das Parlament durchlief, das hat Hand und Fuß – sollte man meinen. Doch nicht nur die AfD pöbelte gegen diesen Beschluss, auch das Wochenmagazin “Die Zeit” verfasste in Gestalt der stellvertretenden Chefredakteurin des Feuilletons, Sabine Rückert, eine zynische Polemik. Linus Volkmann hat sie Revue passieren lassen. Damit dieser infame Text nicht einfach vergessen wird.

13575796_549299945280304_4793378586246768845_oDer Titel des hier zu betrachtenden Artikels lautet „Das Schlafzimmer als gefährlicher Ort“. Wer glaubt, der Fall Gina-Lisa spielt im hier abgebildeten Artikel eine Rolle, hat natürlich Recht. Dennoch ist es anders als vielleicht erwartet. Die Überschrift hat nämlich die wirklichen Opfer sexueller Gewalt im Sinn: Männer.

Es fällt schwer, sich bei dieser abenteuerlich argumentierenden Apologeten-Prosa nicht zu gruseln. Text als Geisterbahn – aber ohne jeden wohligen Grusel. Die Stoßrichtung des Artikels gibt sich dabei leicht zu erkennen: „Nein heißt Nein“ als Maßstab im Sexualstrafrecht zu machen, sei „verhängnisvoll und unnötig“,
Denn stand nicht schon im Playboy der 70er Jahre immer: Nein heißt mindestens Vielleicht? Wenn nicht sogar: Bitte fick mich gegen meinen Willen?
Zudem rücke die Gesetzes-Initiative das „sonst schöne, erwünschte Verhalten der Sexualität“ viel zu sehr „in die Nähe eines Verbrechens“. Klingt wie die naiv-reaktionäre Polemik einer randständigen Männerbewegung mit von (einigermaßen) einvernehmlichem Fickwunsch verzerrten Tastaturen? Nicht ganz, hierbei handelt es sich um den Feuilleton-Aufmacher in der „Zeit”-Ausgabe von Anfang Juli 2016. JAOK!

„Was leidenschaftliche Liebesnacht und was Vergewaltigung war, definiert die Frau am Tag danach. Die Folge: Bei den Sexualpartnern zieht das Misstrauen ein. Und die Sexualität an sich – also ein sonst schönes und erwünschtes Verhalten – wird durch derartige Kampagnen ins Zwielicht und in die Nähe des Verbrechens gerückt.“

Ach ja, Ficken, Du erwünschtes und schönes Verhalten! Wie kann man dich nur mit solchen Anfeindungen deiner ureigenen Selbstregulierung entbinden? Wo kommen wir in unserem Paragraphen-Puff denn hin, wenn jetzt schon Tränen oder ein „Nein“ Zeugnis darüber abgeben sollen, dass ein sexueller Akt nicht einvernehmlich ist? Einfach verdammt schwer zu unterscheiden, was ist Liebesnacht, was Vergewaltigung? Wie sollen sich Männer denn da noch auskennen?
Okay, ein bisschen perfide mag es schon anmuten, dass „derartige Kampagnen“ und nicht etwa Angriffe gegen (vornehmlich) Frauen schuld sind am üblen Leumund von Bruder Fuck – aber man muss ja nicht jeden Penis gleich auf die Goldwaage legen. Schließlich, so der holprige Furor des Text‘ sei „eine Verrechtlichung des Intimlebens […] beunruhigend“.

„… ohnehin überlastete Gerichte“
Noch so ein bedauerliches Opfer, das bei einer Vergewaltigung gern übersehen wird!

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Unzählige, klebrige Männertränen in den Kommentaren der digitalen Version des Artikels. wahre Opfer unite!

„Jetzt steht das Partygirl Gina-Lisa Lohfink , die im Juni 2012 von zwei Männern vergewaltigt worden sein will, im Zentrum politischer Aufmerksamkeit“
Dieser Satz hätte ganz einfach lauten können: „Gina-Lisa Lohfink, die angab im Juni 2012 von zwei Männern vergewaltigt worden zu sein.“ Ebenfalls indirekte Rede wäre das gewesen. Doch das Attribut „Partygirl“ schien die Intention des Text‘ noch nicht genug deutlich zu machen. So muss das unterstellte Wollen des Opfers sogar in einem sprachlichen Kniff sichtbar gemacht werden. „Vergewaltigt worden sein will“… einfach nur finster als Formulierung aber sicherlich kein Versehen. Als würde „Partygirl“ als unsubtiler Code nicht reichen, schließlich kann man darin leicht den Klassiker der erotischen Täter-Literatur rauslesen: „Die (Party)bitch hat doch eh verdient, was ihr passiert. Soll sie sich halt nicht so zurechtmachen und rumtreiben.“ Oder wie ein paar Zeilen später tatsächlich zu lesen ist: „Obwohl die Opfereigenschaft des Partygirls mehr als nur fragwürdig ist“. Muss man sich einfach mal auf der heißen Pfanne zergehen lassen: „Fragwürdige Opfereigenschaft“.

„‘Nein heißt Nein, du bist nicht allein!‘ Der Prozess wurde zur Bühne für die Beschuldigte“
Das hat sich das „Partygirl“ ja fein ausgedacht! Neben der Teilhabe an der schönen Sexualität nun auch noch als Vergewaltigungsopfer mal wieder groß im Mittelpunkt der Öffentlichkeit stehen. Ja, wie geil soll dieser Sommer für sie denn noch werden?

„Der Vorsitzende des 1. Strafsenats […] stellte kürzlich in einer Tagung Überlegungen an, was strafrechtlich auf eine zärtlichkeitsbedürftige Frau zukommen könnte, die ihren Mann durch sexuelle Avancen etwa beharrlich beim Fußballgucken stört.“

Ja, Ladys, so sieht’s mal aus. Wir Männer können auch anders. Sich ranwanzen bei der Sportschau ist bald genauso strafrechtlich relevant wie sexuelle Gewalt, falls ihr mit eurem zwielichtigen, die Gerichte nervenden Quatschgesetz durchkommt!
Immerhin hat es jemand bei einer Tagung überlegt, mehr müssen wir Feuilleton-Leser nicht wissen!
Danke in jedem Fall für diese erfrischend reaktionäre Fieberphantasie von dem im Schlafzimmer ach so bedrohten Mann.
So fehlt noch was in diesem ekelhaften Kontext? Ach ja, die 140-Zeichen-Entsprechung des Artikels, die stammt von Außenreporterin Beatrix von Storch – und somit von der AfD. Team up!

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Und wenn man wirklich genug Zeit (und Selbsthass) aufbringen wollte, könnte man sich auch noch dieser ach so provokativen Kolumne widmen. Zum Glück aber ist man nicht im Besitz von SpiegelPlus. Wie froh man sein kann…

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Screenshot spiegelonline

 

 

 

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