Markus Acher im Interview

1. ALIEN DISKO FESTIVAL

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Clifford & Dave Sun Ra Arkestra Cafe Oto (Photo by Gerald Jenkins)


Am Fr 2.12. und Sa 3.12. findet in den Münchner Kammerspielen „Alien Disko“ statt – das „Notwist–Festival“, wie viele sagen. Das hochkarätig besetzte 2-Tage-Fest findet sozusagen parallel zu der Diskussion um „Monokultur München“ statt: eine Initiative von Künstlern aus Musik, Literatur und Theatern wirft der Stadt München vor, zu viel für die Hoch- und zu wenig für die Subkultur zu tun. Einer der Macher, Sebastian Schnitzenbaumer vom Münchner Label Schamoni Musik („Das Weiße Pferd“, „LeRoy“, „Pollyester“), will die Stadt gar auf Schadensersatz verklagen, weil das Image (BMW, FC Bayern, Oktoberfest) den Indie-Musikern Münchens schadet. Grund: Indiemusiker aus München würden andernorts belächelt – aus der geldigen Stadt könne doch keine richtige Untergrundmusik kommen. Markus Acher, Kopf vom Alien-Transistor-Label und Sänger von The Notwist, kennt das Problem, Ralf Summer traf ihn für Kaput zum Gespräch.

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Markus Acher (Photo by Johannes Haflinger)

Markus Acher: “Mir selbst ist es eigentlich egal, woher eine Band kommt. Im Ausland dachte man bei uns vielleicht: ´ah, Deutschland: Krautrock und so´. Aber am Anfang unserer Notwist-Karriere in Weilheim / Oberbayern, da kam schon auch das Seppl-Ding. Vor allem in Artikeln der deutschen Musik-Presse. Aber gottseidank kam es auch umgedreht: ´schaut, die Bayern können auch anders´.”

Ralf Summer: Bei der ersten „Monokultur München“-Diskussion in der Münchner Favorit Bar gestand ein Autor auf dem Podium, dass es besser ist, heute nicht sagen, dass man als Künstler aus München komme. Da er eine kleine Wohnung in Berlin hat, sage er lieber, er wohne in Berlin. Verleugnet ihr auch eure Herkunft?
Bei uns ist das etwas anders, da wir keine Münchner sind. Also, ich finde „Monokultur München“ eine tolle Aktion und freue mich auch, welche Diskussionen sie ausgelöst hat. Klasse, was Sebastian damit gestartet hat. Und es ist lustig, dass er es über eine wirtschaftliche Ebene versucht: das Image, das die Stadt von sich aufbaut, schade einem Teil seiner Künstler. Was uns Musikern das Leben schwer macht, ist tatsächlich die ökonomische Situation – und da vor allem die Mieten. Es ist echt nicht einfach, hier als Künstler überleben zu können. Der ständige Gelddruck hemmt einen. Mancher Musiker ist geneigt, hier eher das anzupacken, was man sofort „verwerten“ kann.

Ist „Alien Disko“ eine Antwort darauf?
Ich habe mich eher darüber geärgert, dass viele Bands nicht mehr in den Süden kommen. Die meisten guten, neuen Acts spielen nur mehr in Berlin. Meist liegen dann noch Hamburg und Köln auf der Route der ersten Tour. Und erst bei der zweiten oder dritten Rutsche kommen sie nach München. Wohl aber auch, weil das finanzielle Risiko hier hoch ist, diese Bands zu veranstalten. Aus welchen Gründen auch immer.

Was war dann der Ansatz des Festivals?
Als wir in der Neuen Kongresshalle zweimal nacheinander mit The Notwist spielten, dachten wir uns: wir könnten ja mal statt befreundeter Bands aus Deutschland Bands aus dem Ausland einladen, die bisher noch nicht in München aufraten. Oder nicht vor so viel Leuten. Das hat gut funktioniert und so dachten wir uns, dass wir es ´mal mit einem richtigen Festival probieren könnten. Der Name „Notwist“ erzeugt ja hoffentlich schon eine gewisse Aufmerksamkeit. Und so haben wir das Alles um uns herum zusammengestrickt – unter anderem mit Christoph Gurk von den Kammerspielen, den wir schon aus Berlin kannten. Und Club2-Booking und dem Notwist-Manager Flo Steinleitner.

Wen habt ihr unter anderem eingeladen?
Ua Mark Ernestus´ Ndagga Rhythm Force, Ras G und das Sun Ra Arkestra. Es kommen auch Indie-Punk-Bands, die garantiert nicht nach München kommen würden. Wie zB Sacred Paws aus Glasgow: ein klasse Mädchen-Duo, sie machen eine Art von Afro-infiziertem Indie-Pop-Punk. Joanna Grewsome ist eine weitere tolle britische Band, auf die wir uns freuen. Dawn Of Midi aus Brooklyn sind toll – sie versuchen sich als Trio an einer neuen Form von Minimal Music / Techno – mit Kontrabass/Klavier/Schlagzeug. Carla dal Forna kommt aus Australien, wohnt in Berlin. Sie macht eine sehr, sehr eigene Pop-Musik. Die Tenniscoats aus Japan haben wir auf Alien Transistor lizensiert. Die zwei kommen aus Tokyo – freut mich extrem: eine ganz besondere Band, intime, intensive Musik. Melt Banana – zwei Hardcore/Metal/Punk-Frauen aus Tokio – waren schon öfter da – sind aber am anderen Ende des Lautstärke-Spektrums angesiedelt. Man kann die wenigsten Bands einem einzelnen Genre zuordnen. Sie versuchen, in dem was sie machen, unfassbar zu sein.

Und der Titel?
´Alien Disko´ steht dafür, das Fremde hereinzuholen. Und das in einer Zeit, in der die Angst vor Fremden grassiert, in der politisch so viel Gruseliges passiert. Wir wollen da mit ´Alien Disko´ durchaus ein Zeichen setzen. The Comet Is Coming geben da zB gute Antworten. Der Saxofonist von The Comet Is Coming bezieht sich auf Sun Ra und fährt oft von London nach Afrika, um mit Musikern von dort zu arbeiten. Genau wie es Mark Ernestus von Berlin aus tut. Auch wenn vieles vielleicht erstmal ´alien´/´fremd´ klingt: wir wollen es hier zusammenbringen. Und Genres explodieren lassen.

Wie wirkt ihr selbst mit?
Es wird den Alien Disko-Soundclash geben – ua mit 1115, Joasihno und Le Millipede. Das befreundete Gut Feeling-Label aus München wird mit dabei sein – ua mit der Hochzeitskapelle, bei der mein Bruder Micha und ich mit von der Partie sind. The Notwist spielen. Aber eher ein kurzes Live-Set. LeRoy wird das Release-Konzert seines neuen Albums „Bambadea“ spielen – ua mit Tobi vom Projekt Protein, dessen letzte Platte wir mit Schamoni gemeinsam veröffentlicht haben. Aber wir wollten es auch möglichst weit von uns weit wegdenken. Wir haben es ja lediglich kuratiert. Es gibt viel zu sehen: auf vier Bühnen in den Kammerspielen.

Soll ´Alien Disko´ eine feste Einrichtung werden?
Wenn es gut läuft, gerne! Wir wollen damit schon gern etwas aufbrechen in München!

Das 1. ALIEN DISKO FESTIVAL findet am 2. und 3. Dezember in den Münchner Kammerspielen statt.

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