Meet Möstl

“Und ich dachte, jetzt ist es aus” Die weite Welt von Mile Me Deaf

Wolfgang Möstl ist nichts weniger als ein Tausendsassa: Musiker, Produzent, Musikvideoregisseur, Soundtüftler. Der Wahl-Wiener ist Dreh- und Angelpunkt der österreichischen Noise-Rock-Szene, seine Musik – angefangen mit seiner Durchburchsband Killed by 9V Batteries – findet Anklang über die Landesgrenzen hinaus. Der gebürtige Steirer produzierte mehr als 50 Platten (u.a. für Voodoo Jürgens und Der Nino aus Wien) und ist Mitglied bei Bands wie Sex Jams oder Melt Downer. Das Hauptprojekt des 32-jährigen Möstl ist aber die Band Mile Me Deaf, mit der er im Februar das inzwischen vierte Album „Alien Age“ herausbrachte – ein smoother, trippiger Abgesang auf die Menschheit und eine der besten Platten des bisherigen Jahres. Florian Kölsch traf Wolfgang Möstl im Vorfeld eines Mile Me Deaf-Konzerts im „Kurze Eck“ in Saarbrücken zum Gespräch – über iPhones, die deutsche Sprache und schmerzhafte Verletzungen.

Zunächst einmal ein Kompliment. Dein neues Album „Alien Age“ ist grandios geworden.
Wolfgang Möstl: Danke schön, freut mich.

Auf der Platte gehst du ja komplett neue Wege: Es scheint, als hättest du die Gitarre an den Nagel gehängt und durch Samples und Synthesizer ersetzt. Wie kam der Ansatz zu „Alien Age“?
Das war eher Zufall. Da ich ein Wenig süchtig nach YouTube-Dokus bin, habe ich mir mal während einer Tour eine Doku über Sampling in den 80er Jahren angeschaut. Ich verwende eh schon immer Samples und habe auch live mit einem Loop-Gerät schon oft Samples abgespielt. Eben deswegen wollte ich auch einmal mit anderen Samples arbeiten. Auf „Alien Age“ habe ich es jetzt halt sehr exzessiv gemacht. Mit dem Wissen aus der Doku war es total spannend mit den ganzen Kassetten und Platten, die ich schon habe, etwas auf Old School-Hip Hop zu machen – gepaart mit total weirden „source materials“. Dann habe ich mir einen AKAI Sampler gekauft und dann war es voll schnell gegangen. Das Album war echt ziemlich schnell fertig, aber ich habe fast ein halbes Jahr an den Songs nachproduziert und herumgebastelt. Die Grundgerüste der Songs standen schnell, aber sie sind ja Loop-mäßig aufgebaut: Jeder Song ist in Wirklichkeit ein in die Länge gezogener Loop – also teilweise zumindest [lacht].

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Wolfgang Möstl vor dem „Kurze Eck“ in Saarbrücken (Foto: Florian Kölsch).

Was war die Motivation hinter dem Stilwechsel?
Ich habe schon immer bei jedem Mile Me Deaf-Album in eine andere Richtung experimentiert – vor allem bei der Produktion. Das war bei Mile Me Deaf auch das Konzept des Ganzen.

Hast du dafür ein Beispiel?
Das Album „Holography“ zum Beispiel stand unter dem Konzept „Indie Band“: Ich habe die Demos mit einem 4-Spur-Kasettenrecorder gemacht und wollte auch keine Overdubs hinzufügen. Alles sollte auf die vier Spuren limitiert sein. Ich ging mit den Demos zur Band, wir haben das Material gemeinsam auf die Band adaptiert und sind damit auch ins Studio gegangen. Das war schon cool, aber auch ein sehr langwieriger Prozess. Und weil alle meinten, dass meine Demos eh voll cool klingen, war die Idee beim nächsten Album „Eerie Bits of Future Trips“, dass ich dann die quasi aufgepimpten Demos veröffentliche. Die waren auch mit 4 Spur-Kasetten und auch mit dem iPad aufgenommen.

Während der Tour zu eben jenem „Eerie Bits“-Album hast du dir den Mittelfinger gebrochen und konntest daher länger keine Gitarre spielen. Wie wichtig war das für die Neuausrichtung auf „Alien Age“?
Das war schon ein Grund dafür, ja. Ich hatte den Sampler vorher gekauft, aber der ist dann erst einmal ein bisschen rumgestanden. Wir waren dann auf Tour mit Mile Me Deaf und als ich dann wieder zuhause war mit dem gebrochenen Finger, gab das mir dann voll die Motivation, mich auf den Sampler zu stürzen und da wurde er dann quasi erst wirklich in Betrieb genommen. Das war dann echt schräg. Ich konnte wegen dem Verband eigentlich drei Wochen lang nichts machen und dachte, ich würde jetzt Ruhe geben, mich auf die Couch legen und fernschauen. Im selben Moment dachte ich mir dann, dass das auch Blödsinn ist. Und so fingen wir an, die Songs zu produzieren. Und noch lustiger ist übrigens: Es war ja nicht einmal nur der Finger.

Wie jetzt? Was war noch?
Ich habe mir da in diesem Jahr so oft weh getan. Es war einmal der Finger, der ist jetzt so ein bisschen dick an der einen Stelle. Und dann habe ich mir noch am Unterarm – es war so brutal –  kurz vor den Sex Jams-Aufnahmen sehr wehgetan: Bei mir zuhause habe ich alte Doppelfenster und ich habe das Fenster zugemacht. Im Winter habe ich immer so eine Decke zwischen den Fenstern damit keine Wärme rausgeht. Und ein Stückchen Holz ist reingesteckt gewesen. Ich habe also die Scheibe angedrückt und schon war das Holz drin im Unterarm. Und ich dachte, jetzt ist es aus. Es ist direkt neben den Pulsadern eingedrungen. Ich war alleine zuhause und hab sofort die Tür aufgemacht, bin auf den Gang gerannt. Ich dachte mir, wenn ich jetzt bewusstlos werde ist es besser, dass ich direkt am Gang liege, als in der Wohnung. Ich habe mir schon gedacht: Die Pulsadern sind durch, ich habe nur noch ein paar Sekunden, bis ich das Bewusstsein verliere. Daraufhin habe ich auch ewig keine Gitarre spielen können. Das war die eine Geschichte….

Äh…es gab ernsthaft noch etwas?
Ja. Nachdem ich bei dem gebrochenen Finger den Verband runterbekommen habe, habe ich bei einer Gitarre von mir den Lack abgeschabt und bin mit dem Schaber irgendwie abgerutscht und voll auf die Handoberfläche rein. Das war ein paar Tage nachdem ich die Bandage runterbekommen hab. Und ich dachte mir so: „Nein, nicht schon wieder“. Und es hat ur [Wienerisch für „sehr“] viel geblutet. Ich wurde dann geröntgt und sie haben es auf Splitter untersucht. Die Ärzte fragten daraufhin ob mir der Mittelfinger wehtut, weil sie gesehen haben, dass der auch komplett gebrochen ist. Das war echt ein blödes Jahr. Und dass das auch noch dazu bei der Gitarre passiert ist, war vielleicht ein Zeichen gewesen, dass ich die Gitarre an den Nagel hängen sollte.

Schnell weg von den Wehwehchen! Neben dem Sampler fungiert bei dir auch das iPhone als wichtiges Instrument – zum Beispiel nimmst du damit gerne Sounds auf.
Das iPhone ist das beste Tool, wenn man unterwegs ist. Ich habe es immer einstecken – und es ist unfassbar, was man damit alles machen kann. Viele Leute sind sich dessen gar nicht bewusst. Das neue Musikvideo von Melt Downer haben wir auch mit einem iPhone gemacht. Und auf Tour hat man auch so viele Stunden, in denen man eigentlich nichts zu tun hat. Im Bus kann ich auch nicht lesen, da tu ich mir schwer. So fing das an, dass ich im Bus auf dem iPhone oder iPad irgendwelche Tracks gebastelt habe. Mein neuestes Hobby ist ja mit dieser neuen App Fotos zu machen. „Pixomatic“ heißt die App, das ist wie Photoshop. Muss ich mal überlegen, was ich damit noch mach. Das wird wohl ein größeres Projekt.

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Mile Me Deaf-Drummer Rudolf posiert mit neuer Frisur vor einem Pixomatic-Hintergrund.

Du bist ja generell ein sehr visueller Mensch – die meisten Mile Me Deaf-Musikvideos sind ja auch von dir.
Ja, fast. Also das letzte Video zu „Where Else“, das gerade erst rauskam und in dem man den Flo [Florian Seyser, Bassist von Mile Me Deaf] sieht, ist von mir und hat jetzt nicht so großen Anklang gefunden (Wolfgang lacht).

Wieso das denn? Ich habe es noch nicht gesehen.
Der Flo hat ja ein Soloprojekt: Euroteuro. Mit dem hat er beim Wiener Sportklub an einem Benefizabend gespielt. Es war wirklich nur Playback und er hat noch ein bisschen dazu getanzt und drüber gesungen. Ich habe dieses Setting so super gefunden, dass ich dann die ganze Show mitgefilmt habe. Der Sound war jedoch so grottig, dass ich mir dachte es wäre irgendwie cooler ein Mile Me Deaf-Video daraus zu machen. Ich habe also einfach die Aufnahmen genommen und es ist jetzt das „Where Else“-Video geworden. Die beiden Videos davor zu „Alien Age“ und „Blowout“ haben andere Leute gemacht.

 

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Fun Fact: „Alien Age“ erschien bereits im Oktober 2016 in den USA – und prompt wurde wenige Wochen nach Release der Song „Where Else“ in der US-Serie „This Is Us“ mit Milo Ventimiglia und Mandy Moore benutzt. Und zwar in einer Szene in einer hippen Szenebar.

Was war der Hintergrund bei der kreativen Entscheidung, die Videos von Anderen gestalten zu lassen?
Also bei „Blowout“ wollte ich das einfach mal wieder, dass sich jemand anderes einbringt und frischen Wind reinbringt. Wir werden von uns aus eh wieder nur trashige Green-Screen-Sachen machen.

Also bitte. Mit den Videos hast du es zu einer Einladung zum österreichischen Filmfestival „Diagonale“ in Graz gebracht – so „trashig“ können sie jetzt nicht gewesen sein. Und überhaupt: Wie hast du dich bei der „Diagonale“ gefühlt?
Das Ganze war schon sehr schräg. Es war eine Ehre, dass ich da dabei sein durfte, auch wenn es mich Anfang gar nicht so geflasht hat. Aber als es dann die Leute, auch welche die Filme machen, mitbekommen haben und zu mir sagten: „Das ist das Ärgste!“ oder „Wahnsinn, wie hast du das geschafft?“, dachte ich mir nur: „Keine Ahnung“. Das liegt wahrscheinlich an dem ganzen Musikvideowahnsinn – und auch daran, dass wir schon immer Wert auf Videos gelegt haben. Es ist einfach alles sehr speziell was mir machen. Für die „Eerie Bits“ haben wir ja sogar eine Ausschreibung gemacht, in der Leute Musikvideos für uns einreichen konnten. Innerhalb kürzester Zeit haben sich zig Leute gemeldet und haben echt gute Musikvideos gemacht für das ganze Album. Zum Beispiel Julian [Knoth] von Die Nerven hat ein echt ein sehr gutes Video gemacht. Und alle Videos haben wir dann in Wien im „Schikaneder“-Kino präsentiert – wirklich wie bei einer Filmpremiere. Von dem her passt das schon. Wir sind schon eine cineastische Band. Bei Killed by 9V Batteries war das aber auch schon immer voll wichtig.

Wie war die Resonanz auf deine Werke? Es wurde ja neben einem Film zu eurer Japan-Tour auch unter anderem das Musikvideo zu „You’re a Walking Maze“ gezeigt.
Also den Leuten hat es eh voll getaugt, aber es war auch echt eigenartig. Ich bin schon am Montag angereist, weil ich eigentlich eh aus der Nähe von Graz komme. Ich war dann die ganze Woche mit meinen Freunden unterwegs. Am Anfang dachte ich auch, es wäre ja voll easy, weil ich das eh schon gemacht habe. Ein Live-Auftritt ist zudem hundert Mal schlimmer – da kann alles passieren. Den Film habe ich ja eh schon. Und die ganze Woche kamen dann Leute: „Bist du schon aufgeregt, bist du schon nervös? Ich wäre voll nervös.“ und ich dachte mir nur: „Wieso, wieso?“. Und je mehr Leute das gefragt haben, desto nervöser bin ich geworden. Beim Screening und bei den Interviews war ich dann wirklich voll nervös. Es ist ja auch der Film „Talea“ gezeigt worden und die Regisseurin Katarina [Mückstein] und Veronika [Eberhart], mit der ich die Musik zu „Talea“ gemacht habe, waren auch dort. Die beiden sind halt viel mehr verankert in dem Filmbusiness und ich bin mir da schon etwas blöd vorgekommen. Ich mache das halt immer nur so „irgendwie“ – ein wenig aus dem Bauchgefühl heraus. Bei meinen eigenen Sachen bin ich dann halt schon dagestanden und dachte mir, dass es im Vergleich zu den anderen Sachen eher Trashzeug ist.

Noch zurück zur Musik und zum Album: „Alien Age“ ist ja an sich das erste, richtig kohärente Album von und auch das erste, auf dem Hörer auch nicht bewusst irritiert wird.
Ja, schon. Es war auch schon auf dem Vorgängeralbum „Eerie Bits“ der Plan, dass das alles etwas schlüssiger klingen soll und auch besser zum Durchhören ist. Trotzdem muss man bei der „Eerie Bits“ sehr stark zwischen Seite A und Seite B unterscheiden. Die sind schon sehr unterschiedlich. Es ist schon ein cooler Fluss, aber es sind immer noch sehr viel mehr Brüche als jetzt bei „Alien Age“. Aber wenn man 10 Jahre lang nur solche Musik macht, die von Brüchen lebt, in der man mit diesen Brüchen spielt, dann ist ur spannend ein Album zu machen, das auch nebenbei mal durchlaufen kann. Vor allem wenn man Musik macht, die extrem fordernd und auch mal ein bisschen anstrengend ist. Bei „Alien Age“ sollte es so ein bisschen in die Richtung Ambient gehen – im weitesten Sinne. Ich habe in der Zeit auch viele Alben gehört, die eigentlich ein großer, langer Track sind. Da merkt man dann gar nicht, wann es vorbei ist.

In dem Kontext funktioniert der Aspekt des „nebenbei anhören“ fast schon als Kompliment, als Tugend.
Ja voll, es klingt immer so abwertend. Hier ist das gar nicht so gedacht.

Während die Textintention auf den vorherigen Alben oft eher schwer zu dechiffrieren war, hat man nun auf „Alien Age“ auch ein durchgehendes Leitmotiv in den Texten: nennen wir es lose einfach mal „menschliche Selbstzerstörung“.
Ja, voll. Also ich finde schon, dass „Alien Age“ eine Weiterentwicklung von „Eerie Bits“ ist. Es war das erste Mal, dass ich angefangen habe die Songs zu schreiben und gleichzeitig die Texte mitgemacht habe. Sonst habe ich immer erst irgendetwas über die Musik gesungen und nach und nach Texte darauf geschrieben. Bei „Alien Age“ habe ich schon beim Schreiben des ersten Textes gemerkt, dass ich die Richtung, in die das geht, extrem spannend finde. Der erste Text war zu „Invent Anything“ – und es war mir da auch ur wichtig, dass es der erste Track auf dem Album wird. Mir war dann klar, dass ich damit echt auch mehrere Texte schreiben könnte. Ich würde aber sagen, dass es weniger ein Konzept, sondern eher eine Stimmung ist, die sich wie ein roter Faden durch die Texte zieht.

Stimmung ist in dem Zusammenhang ein gutes, ja vor allem aktuelles Wort. Bei Politiker machen Stimmung gegen irgendetwas oder irgendwen, „Alien Age“ hat eine Weltuntergangsstimmung …
Ja, das ist eh alles jetzt, diese krasse Stimmung. Eigentlich halte ich gar nichts von diesem „Die Welt geht gleich unter“ – das ist eh voll dämlich. Trotzdem hat man das Gefühl, dass es eine komische Zeit ist in der wir leben. Es ist schon ein arger Umbruch in allen möglichen Bereich und deswegen ist es auch ur spannend. Es passiert viel nur kann man das halt auch alles schnell in die negative Richtung deuten, aber da ist wohl auch das Lustige dabei.

Zu politisch wird das Album nun auch nicht sein.
Nein, überhaupt nicht. Es ist halt im Nachhinein lustig: Zum Beispiel „Invent Anything“ war als ein Song über First World Problems gedacht und jetzt kommt Donald Trump mit seinen Fake News und fügt dem Song diese Bedeutung hinzu.

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Wolfgang Möstl schließt die Augen und genießt den Abend im Saarland. (Foto: Florian Kölsch).

Du bist ja ein wahrer Tausendsassa: Mit 32 hast du schon zig Alben produziert, mehrere Bands gehabt, Musikvideos gedreht. Wie kommt es, dass du so viele verschiedene Dinge in kurzer Zeit machst und wie hast du dir alles beigebracht?
Ich habe eigentlich recht spät angefangen, Gitarre zu spielen. Mit 17. Und dann haben wir auch direkt die Band gegründet, die Killed by 9V Batteries. Also ich war eh eher der Spätzünder, aber es war mir von Anfang an ur wichtig, dass wir das Ganze aufnehmen können. Deswegen habe ich mich von Anfang an dafür interessiert und meinen Computer dahingehend aufgerüstet, dass man zumindest irgendein Musikprogramm darauf abspielen kann. Und ich habe mir Mikrophone zugelegt.

Wie sind die ersten Produktionen der Killed by 9V Batteries abgelaufen?
Die ersten Sachen haben wir echt mit Mini-Disk-Recorder aufgenommen. Mir war es von Anfang echt wichtig jede Probe mit aufzunehmen, weil die Zusammenstellung der Band von damals sehr zerbrechlich war. Ich dachte mir, wenn das nichts wird, dann habe ich nie mehr eine Band. Jede Probe könnte die letzte sein. Und dann ist es recht schnell gegangen. Uns gab es erst drei Jahre bis Siluh Records auf uns aufmerksam wurde. Wir hab dann das erste Album [„Killed by 9V Batteries“, 2006] in Berlin mit Tobias Siebert [Mastermind hinter Klez.e, Delbo und And the Golden Choir] aufgenommen. Das war total schräg: Als wir nach Berlin geflogen sind, hatten wir damals noch nicht einmal einen Auftritt in Graz gespielt. Und Graz wäre der nächste logische Schritt von Weiz [Heimatort von Wolfgang Möstl] aus gewesen.

In Graz hat auch Numavi Records seinen Sitz, eben jenes Label auf dem im Juni das Debutalbum von einem deiner Nebenprojekte erscheint: Melt Downer. Du hast das Label gegründet, richtig?
Ja, ich habe Numavi Records mit dem ehemaligen Schlagzeuger von Killed by 9V Batteries gegründet. Wir haben es halt primär gemacht, damit man die Batteries-Releases mit irgendeinem Label herausbringen kann. Es waren eh immer so Mini-Auflagen. Das war dann schon so der Running Gag, weil irgendwann alle Bands, die wir gekannt haben, das Logo auf ihre Platten packen durften. Es war dann echt witzig, weil es dann auf einmal Releases gab, auf denen Numavi stand, von denen aber keiner etwas wusste, außer die Band selbst. Und zu der Zeit, als ich dann nach Wien gegangen bin, hat sich dann der Mario [Zangl, heute Gitarrist bei Mile Me Deaf] angefangen um das Label zu kümmern und das mit anderen gemeinsam auch wirklich professionell aufgezogen. Es läuft ziemlich gut – inzwischen ist es ein echtes Indie-Label mit Platten und vielen Releases. Und damals war es einfach irgendetwas. Ich habe da zum Teil Mile Me Deaf-Sachen rausgebracht mit einer Auflage von 10 Stück.

Beobachtest du – auch anhand der Achtungserfolge von Numavi oder Siluh Records – ein allgemeines Erstarken der österreichischen Indie-Szene? Selbst in Deutschland hört man jetzt nicht mehr nur Wanda oder Bilderbuch, sondern sogar Mundart-Musiker wie Voodoo Jürgens. Das wäre vor ein paar Jahren undenkbar gewesen.
Ich finde das schon sehr sehr cool, aber es ist sehr arg, das mitzukriegen. Es sind Leute rund um einen herum, die man gut kennt und die jetzt voll die Megastars werden. Das ist schon sehr weird, besonders beim David, beim Voodoo Jürgens. Bei ihm war es aber vorherzusehen. Beim ersten Konzert das er auf Deutsch mit Mundart gespielt hat, konnte man schon ahnen, dass das ur fett wird. Einfach weil es so gut ist. Beim Album aufnehmen war es auch so nach jedem Song, dass man sich dachte: „Okay, das ist groß“.

Ach, du hast „Ansa Woar“ [das 2016er Debutalbum von Voodoo Jürgens] mitproduziert?
Ja, also ich habe bis auf drei Songs eh alles mitaufgenommen.

Inspiriert dich der Erfolg von Leuten wie Voodoo Jürgens jetzt auch mal den deutschsprachigen Markt zu kapern?
Nein, nein, nein. Das funktioniert bei mir nicht. Und ich kann auch nicht auf Deutsch singen. Und … das klingt jetzt auch bescheuert, aber: In Österreich kennen mich dann doch noch gerade so viele Leute, dass es dann doch schon ein bisschen peinlich ist, wenn ich dann ankomme mit „Ja, passt! Ich bin da jetzt auch dabei! Ich singe jetzt auch auf Deutsch.“. Das ist beim David gerade noch gut gegangen. Er macht halt schon ur lange Musik, hatte ja auch mal die Band Die Eternias. Wir haben zusammen das zweite Album aufgenommen und das war halt leider nicht so erfolgreich. Jetzt haben halt schon viele Leute gesagt: „Ah, er singt jetzt auf Deutsch.“. Und wenn du halt nicht so von Anfang an eine Basis hast, dann funktioniert das auch.

Für dich selbst wäre das also keine Option?
Also wenn ich jetzt auf Deutsch singen würde bin ich mir sicher, dass die Hälfte der Szene mich auslachen würde. Ich würde mich eher blamieren als sonst irgendetwas. Ich bleib dem treu und der Hauptgrund ist eigentlich eh, dass ich Texte nicht auf Deutsch schreiben kann. Also mir kommt es viel unnatürlicher vor, wenn ich Texte auf Deutsch singe, als wenn ich sie auf Englisch singe. Ich kann mich da auch viel besser ausdrücken. Es klingt für mich weder peinlich noch super pathetisch. Es funktioniert einfach.

Im Juni kommt nun schon wieder ein neues Album von dir – das selbstbetitelte Album deines Noise-Rock-Nebenprojekts Melt Downer. Wie unterscheidet sich der Ansatz dahinter von Mile Me Deaf und ist es irgendwo auch eine Fortsetzung von Killed by 9V Batteries?
Also die Parallele zu den Batteries ist in der Besetzung schon zu sehen: Der Mario spielt Bass, ich spiele Gitarre, wir sind ein Trio. Ich liebe das, wenn der Mario Bass spielt und es harmoniert auch sehr gut mit meinen Gitarren. Der Flo [Florian Gießauf], der Schlagzeuger, mit dem habe ich früher Mile Me Deaf gemacht. Da waren wir noch zu zweit eine Art Power-Noise-Duo. Ich habe mit beiden schon immer ur gerne Musik gemacht – das sind zwei Leute, die einfach total arge Musiker sind, in dem was sie machen. Und das war schon immer ein Herzenswunsch, dass wir das mal zusammenführen. Es hat von Anfang an funktioniert, obwohl wir gar keine Ahnung hatten was wir machen wollen. Unsere erste Show kam lustigerweise zustande, weil wir für Mile Me Deaf einspringen mussten. Die anderen beiden konnten nicht und da dachten wir: Machen wir ein Old School-Mile Me Deaf zu zweit. Wir wollten Covers spielen, aber dafür bräuchten wir einen Bassisten. Darauf meinte ich nur: „Passt“ – und wir haben dann echt ohne viel rumprobieren aus dem Stehgreif ein Coverset komplett heruntergespielt. Wir haben dann bei der TWEETY Party [ein Fest in Graz, veranstaltet von Numavi Records, jedes Jahr am 30.12.] vor mehr als 1000 Leuten gespielt und alle waren begeistert. Da wurde uns klar, dass wir etwas zusammen machen müssen. Bei der ersten Probe haben wir dann – ohne, dass wir wussten in welche Richtung es gehen soll – einfach angefangen zu spielen und irgendwann war es dann einfach dieses sludgige Stoner-Duo gepaart mit Noise-Rock. Wir haben daraufhin dann Songs gemacht, die in diese Richtung gingen. Aber wir experimentieren eh in alle Richtungen und haben auch schon gesagt, dass das nächste Album komplett anders werden wird.

Wann war dieser Auftritt auf der TWEETY Party?
Der Auftritt war schon 2013. Es hat bei uns alles etwas gedauert. Das Album haben wir ja schon letztes Jahr im Juli aufgenommen. Aber wir haben von Anfang an gesagt, dass wir uns bei dem Projekt nicht stressen und dass wir es easy angehen – und es macht auch Spaß das so zu machen. Aber es ist von Anfang an echt super aufgenommen worden, vor allem die Live-Konzerte. Die Leute kommen zum Teil danach zu uns und fragen: „Was war das gerade?“.

Wenn du Melt Downer mit drei Adjektiven beschreiben könntest – welche wären das?
Hart aber herzlich. Das ist ein Adjektiv. Schon auch trippy, würde ich sagen. Und auch kompromisslos. Das klingt zwar immer so abgedroschen, aber die Band ist eigentlich schon ziemlich kompromisslos. Wir scheißen uns da eigentlich recht wenig und das find ich auch cool. Bei meinen anderen Bands habe ich schon immer geschaut, dass es nicht zu abgedreht wird. Es wird aber eh meistens trotzdem automatisch abgedreht. Aber bei Melt Downer ist es einfach wurscht.

Noch eine kurze Frage zum Schluss: Welche ist deine aktuelle Lieblingsplatte?
„Raw Light II“ von Botany höre ich gerade ur viel. Also das ist das, was ich rauf und runter höre gerade. Das kann ich echt so sagen. Normalerweise tue ich mir bei sowas schwer, aber aktuell ist es das Album für mich.

„Alien Age“ von Mile Me Deaf ist bereits am 3. Februar bei Siluh Records erschienen.

Das Debüt „Melt Downer“ von Melt Downer wird am 30. Juni bei Numavi Records erscheinen.

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Und so sieht ein Auftritt von Mile Me Deaf auf. Bunte Projektionen, weiße Overalls (Foto: Florian Kölsch)

 

 

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