Half Girl

Monstergang

Half Girl (Photo by Monika Martin)

Half Girl (Photo by Monika Martin)

“They call us Monstergang, don’t like our golden fangs, they don’t like our soft black fur / They call us hairy girls, don’t like our shiny curls, they don’t like to hear us purr.”

Half Girl aus Berlin stehen für alles Gute und Schöne: Eine Gang aus vier Freundinnen featuret die Liebe zu schwarzen Katzen, Fledermäusen, Monstern, Horrorfilmen, Rock’n’Roll und Feminismus. Und jetzt gibt’s endlich auch eine Platte.

„All Tomorrow’s Monsters“ ist so was wie ein Lieblingsalbum mit Ansage, denn eigentlich existiert die Band ja schon seit 2009. Aber wie es manchmal so ist: nicht immer ist die erste Version schon die ideale, man weiß, dass die Idee super ist, aber noch nicht die Form gefunden hat, in der alles zueinander passt – beziehungsweise alle: Als Julie Miess Half Girl gründete, um ihr Faible für Rock und Horror auszuleben, spielte den Bass noch ihr-wisst-schon-wer. „Amouröse Verwerfungen“, wie es so geheimnisvoll wie eindeutig im Bandinfo heißt, führten zum einzig möglichen Ausweg: „Half Girl 3 had too much Glam, so he had to leave the band“ singt die aktuelle Besetzung fröhlich in ihrem Erkennungssong „Monstergang“ und macht lovely aber bestimmt klar, dass Half Girl nun komplett sind. Und zwar mit Gwendolin Tägert am Bass. Als reine Frauenband spiele es sich entspannt, konstruktiv und im besten Sinne ohne Skrupel, sagt Julie Miess am Telefon. An frühere Zeiten mit Britta („oh, wir hatten so viel Spaß an der Bar“) erinnert Julie die neue Konstellation nicht so sehr, sie habe jetzt schon ein paar mehr Freiheiten – eine extrem bescheiden-tiefstapelnde Umschreibung dafür, dass sie ja jetzt schließlich die Chefin ist. Eine sehr freundliche natürlich, es sei denn, man gäbe in ihrer Gegenwart zu, weder Katzen noch Fledermäuse zu mögen (siehe/höre „Monstergang“). Das neue Selbstbewusstsein wird ganz deutlich im Song „Girl in a Band“: „sie spielt in einer Band / sie spielt in meiner Band“ – don’t mess with Dr. Miess…

Den bereits erwähnten Glam haben Half Girl sowieso en masse. Man ist ja nicht nur eine All-Girl-, sondern auch All-Star-Band: Neben den erklärten Katzenliebhaberinnen Julie Miess (Britta, Jens Friebe, Mutter) und Gwendo (Mondo Fumatore) sind außerdem Schlagzeugerin Anna-Leena Lutz (Ex-Die Heiterkeit, Dessert Surprise) und Gitarristin Vera Kropf (Luise Pop) dabei. Bei so viel geballter Indiepop-Power kann es der geneigten Fanschar zu Recht schwindlig werden; die vielfältigen Beschäftigungen/Verpflichtungen der Gang of Fur sind allerdings auch mit dafür verantwortlich, dass sich die Fertigstellung von „All Tomorrow’s Monsters“ ein bisschen hingezogen hat. Und die Belastungen der „Day Jobs“ kommen ja noch obendrauf – aber der Day Job sichert den Rock’n’Roll am Abend und umgekehrt – und zum Glück habe sie verständnisvolle VerlagskollegInnen und arbeite Gleitzeit, so dass es doch irgendwie vereinbar ist, „wenn die anderen Half Girls schon in der Stadt sind und ich noch im Büro.“ Anna-Leena Lutz lebt in Leipzig, die Wienerin Vera Kropf verbrachte wegen eines Promotions-Forschungsprojekts ein ganzes Jahr in New Orleans – „von dort hat sie den Blues für unseren Song ‚Bootyman’ mitgebracht“, sagt Julie, die selbst hin und wieder mal auf Podien oder zu Ausstellungseröffnungen eingeladen wird, um über z.B. Werwölfe zu referieren, schließlich ist sie promovierte Monsterexpertin: Ihre Doktorarbeit „Neue Monster: Postmoderne Horrortexte und ihre Autorinnen“ hat sie vor einigen Jahren veröffentlicht, „inzwischen habe ich mich aber wieder mehr aufs Fantum verlegt“, sagt sie, und selbstverständlich tummeln sich in den Songs des Albums jede Menge Mischwesen, Monster, Psychopathen und alte Rockhelden (Lemmy Kilmister, Robbie Williams), die ja auch irgendwie ins Horrorgenre passen. Auf der Platte ist auch eine neue Version des Stückes „Monster“, das Julie bereits zum Britta-Album „Das schöne Leben“ beigesteuert hatte und jetzt zwischen Songs über psychopathische Killerinnen und verlorene Miezekatzen eine noch passendere Umgebung gefunden hat. Julies wissenschaftliche Beziehung zum Monsterthema führt eine zusätzliche Ebene ein, erlaubt, Parallelen zwischen Monstern und Frauen in der Musik zu ziehen: „Es gibt so viele Vorstellungen, wie eine Sängerin/Musikerin zu sein hat: Die Rockröhre, der sexy Vamp und so weiter – Frauen werden leichter zu Monstern.“

Half Girl (Photo by Monika Martin)

Half Girl (Photo by Monika Martin)

Ganz klar ist deshalb auch Half Girls feministische Ansage: Vor drei Jahren, als ersten Teaser für das Album sozusagen, drehte Horrorfilmer Jörg Buttgereit das Video zu „Lemmy I’m A Feminist“ (mit Andi Hudl als Lemmy) – wer Julie Miess auch nur ein bisschen kennt, weiß von ihrer großen Verehrung für Motörheads verstorbenen Chef und Bassisten Lemmy Kilmister. Zum Hardrock Motörhead’scher Prägung gehört auch eine – vordergründig – zweifelhafte Haltung gegenüber Frauen; der Half-Girl-Song hätte Kilmister aber bestimmt gefallen, schließlich rockt er sehr lässig, und es gibt harte Getränke im Video.

Half Girl konzentrieren sich aber nicht nur aufs Hardrock-Genre, sie spielen mit vielen Stilen: vom bereits erwähnten Blues im „Bootyman“ über Sixties-Garagen- und –Girlgroup-Anleihen über Punk zum Mitsingen reicht die Bandbreite bis zu „Narzissten lieben mich“, das mit seiner Rätsel- und Ernsthaftigkeit daran erinnert, dass Julie ja auch Keyboarderin bei Mutter ist. Sehr, sehr schön ist auch die Coverversion des Skeeter-Davis-Songs „The End of the World“, das Half Girl zum ersten Mal bei der „Weltuntergangs-Gala“ in Christiane Rösingers legendärer Flittchenbar spielten. Das Stück funktionierte so perfekt, dass klar war, dass es mit aufs Album gehört. Und ach, was sind schon sieben Jahre, wenn dann ein „All Tomorrow’s Monsters“ dabei herauskommt?

Half Girl “All Tomorrow’s Monsters” (Siluh Records)

Half Girl auf Tour:

  • 20.9. Oberhausen, Druckluft
    21.9. Lüneburg, Anna und Arthur
    22.9. Hamburg, Hafenklang
    23.9. Berlin, Ausland
    29.9. Karlsruhe, Kohl
    30.9. Nürnberg, K4
    1.10. Leipzig, Handstand und Moral
    12.10. Schorndorf, Club Manufaktur
    13.10. Freiburg, Slow Club
    14.10. Kassel, Goldgrube
    15.10. Köln, Privat
    16.10. Offenbach, Hafen 2
    1.11. München, Unter Deck
    12.1.17 Regensburg, Alte Mälzerei
    13.1.17 Wels, Alter Schlachthof
    14.1.17 St. Pölten, Vinzenz Pauli
    15.1.17 Feldkirch, Graf Hugo
    16.1.17 Innsbruck, Weekender
    17.1.17 Graz, Sub
    18.1.17 Wien, rhiz
Verlagssitz
Kaput - Magazin für Insolvenz & Pop | Aquinostrasse 1 | Zweites Hinterhaus, 50670 Köln | Germany
Team
Herausgeber & Chefredaktion:
Thomas Venker & Linus Volkmann
Autoren, Fotografen, Kontakt
Advertising
Kaput - Magazin für Insolvenz & Pop
marketing@kaput-mag.com
Impressum – Legal Disclosure
Urheberrecht /
Inhaltliche Verantwortung / Rechtswirksamkeit
Kaput Supporter
Kaput – Magazin für Insolvenz & Pop dankt seinen Supporter_innen!