Norbert Gastell

„Es kann passieren, dass ich mir von Homer einen Witz ausleihe“

Norbert Gastell ist tot. Er war Schauspieler, Synchronsprecher und über 25 Jahre die deutsche Stimme von Homer Simpsons. Am 26. November ist der gebürtige Argentinier nun mit 86 Jahren verstorben. Er hat in all der Zeit seine Stimme so oft verliehen, dass wir ihm gern die Ehre erweisen möchten, sie ihm hier wieder zurückzugeben. Möglich machten das unsere Freunde des ehemaligen Blurr-Fanzines aus Düsseldorf. In deren Power-Postille gab es vor Ewigkeiten ein Interview mit Norbert Gastell. Jonny Bauer, Mitbegründer jenes Blurr-Hefts und heute unter anderem bei der Band Oiro aktiv, hat es dereinst geführt und hier noch mal zur Verfügung gestellt. Und man lernt so ein wenig den Mann hinter der Stimme kennen, die man so oft gehört hat. Vielen Dank Bauer und Blurr. Und natürlich Nobert Gastell.

Norbert_Gastell

Foto: Wikipedia

Guten Morgen.
Norbert Gastell: Hallo.

Ich weiß nicht viel über Sie, außer dass sie der deutsche Homer Simpson sind.
Ich bin Schauspieler und stehe seit meinem zwanzigsten Lebensjahr auf der Bühne, mache außerdem viel Fernsehen und synchronisiere ungefähr 120 Filme pro Jahr. In Tübingen habe ich im Theater angefangen und auch auf sämtlichen Münchner Bühnen gespielt. Zwei Jahre Kabarett waren auch dabei. Also alles, was mit dem Beruf zu tun hat.

Laufen Sie zur Zeit im Fernsehen?
Ja, ich bin in der Serie „Forsthaus Falkenau“ zu sehen. Ich spiele den Forstdirektor.

Und Theater?
Das ist heutzutage nicht das einfachste, vergessen wir nicht, dass im Moment nicht sehr viele gute Stücke verfügbar sind. In der Beziehung habe ich ein bisschen Leerlauf. Es gibt einfach keine interessanten Stoffe mehr, anders als nach dem Krieg, als die ganzen Miller-Stücke rüberkamen.

Wir in unserer Redaktion sind alle großen Homer-Fans. Seit wann sind sie seine Stimme?
Die Simpsons laufen seit Ender der 80er und ich war von Anfang an dabei.

Wie kann ich mir die Synchronisation einer Simpson-Folge vorstellen?
Man steht in einem Atelier, hat vor sich ein Pult, dann kommt da „Achtung, 1, 2, 3“, dann drückst du auf den Knopf. Du hörst den Ton und dann kommt dein Take. Ein Take ist ein kurzer Ausschnitt, der manchmal bis zu sechs Zeilen geht. Vor dir liegt dein Text. Ich versuche den Text genau auf die Sequenz draufzubringen. Zur Unterstützung haben wir noch einen Cutter und den Regisseur.

Ändern sie selber etwas am Text wenn er nicht passt?
Das ist schon vorher vom Regisseur gemacht worden. Wenn man ins Atelier kommt sind es bloß noch Kleinigkeiten, die geändert werden müssen.

Wie lange dauert die Aufnahmesession für eine Folge?
Zwei bis drei Tage sind es bestimmt.

Sie sind ja wie ich raus höre ein richtiger Simpsons-Fan?
In Deutschland ist das leider ganz komisch, entweder man mag es oder überhaupt nicht. Ein Zwischending gibt es nicht. Es ist natürlich auch sehr schwierig, sagen wir mal, da die Deutschen ja nicht sehr viel Sinn für Satire haben und die Simpsons sind irgendwo eine Satire-Serie. Die Parodie auf den „American way of life“.

Es funktioniert als Comic. Die Simpsons dürfen alles, auch das stolze Amerika kritisch kommentieren und verarschen. Selbst die Verarschten fühlen sich geschmeichelt.
Genau, natürlich die Gesellschaft wird verarscht. Vielleicht haben die Amerikaner mehr Sinn für Humor und können besser über sich selber lachen. Bei uns ist das ja immer sehr schwierig, da ist jeder immer gleich beleidigt.

Und Sie persönlich, ist das nur ein Job oder ihre Art von Humor?
Das macht mir Spaß. Es gibt Filme die beim Synchronisieren Spaß machen und welche die keinen Spaß machen. Die Simsons gehören zu denen, die ich gerne spreche.

Muss doch toll sein wenn Homer mit der eigenen Stimme spricht.
Ja, ich lache selber furchtbar gerne.

Färbt das Verhalten von Homer auf ihr Privatleben ab?
Das kann schon mal passieren, dass ich mir einen Witz ausleihe, aber das kommt eher selten vor.

Die Synchronisation der Simpsons ist sehr gut gelungen. Die Stimmen passen toll und die ein oder andere gefällt mir besser als das Original.
Es gibt manche Dinge, die kannst du vom Englischen nicht ins Deutsche übersetzen. Viele Jokes bekommen einen anderen Sinn, oder verlieren ihn komplett. Wir haben zwei Regisseure, die auch am Text mitarbeiten und ihre Sache sehr gut machen.

Sind die Simpsons was für Kinder?
Ich weiß nicht, ob Kinder das kapieren. Den Kindern gefällt einfach die Frechheit von Bart, seine Aufmüpfigkeit.

Ich denke oft, dass es für Kinder sogar langweilig sein kann, da sie die Anspielungen auf zum Beispiel politische Geschehnisse gar nicht verstehen können.
Klar, da sind Kinder überfordert.

Sie sprechen auch die Simsons Hörspiele. Ist das anders, schwieriger als auf bewegte Bilder zu agieren?
Die Hörspielkassetten habe ich nicht gesprochen.

Steht aber Ihr Name drauf!
Dann haben die das einfach von der Fernsehaufzeichnung genommen und davon Kassetten gezogen. Kostengünstig…

Dann melden sie doch mal Ansprüche an.
Ja, wäre gut.

Wer ist außer Homer ihr Lieblingscharakter?
Das kann ich nicht sagen. Wir haben jetzt schon so viele Folgen gemacht. Nächsten Monat fangen wir schon wieder mit der nächsten Staffel an. Ich denke, die Simpsons werden ewig weiter laufen.

20151128_132216_001_resizedIch könnte einige Insider-Informationen gut gebrauchen.
Keine Ahnung wovon sie reden.

Ich muss zugeben ich bin ein wenig enttäuscht, dass ihre Stimme am Telefon nicht nach der von Homer klingt.
Da ist auch ein bisschen eine andere Farbe drin.

Dann würde ich jetzt gerne mal kurz mit Homer sprechen.
[im Homer Tonfall]: Marge, was machst du?

Toll, können wir das Gespräch nochmal wiederholen?
Nein.

 

Erschienen in Blurr Mag Nr.13
http://www.blurr.de/

 

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