JA,PANIK

„Futur II“

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Musikerbiographien besitzen zumeist eine sehr verbindliche Struktur, erst muss man sich durch halbimaginierte Kindheitserinnerungen quälen (Kernaussage: „Ich war schon immer so ein Racker!“), irgendwann gelangt man dann zum guten Teil (Sex, Drogen und Hybris), bevor die Figur einen hinten raus langsam wieder anödet.

Die von Wien nach Berlin emigrierte Gruppe Ja,Panik ist in ihrer Bandbiographie „Futur II“ (Verbrecher Verlag) alleine strukturell völlig außer Sichtweite dieses Stereotyps. In einer multiperspektivischen Collage interviewt Laura Landergott (Keyboard) alte Wegbegleiter, schreiben Stefan Pabst (Bass) und Sebastian Janata (Schlagzeug) Mails und Prosa über ihre jeweiligen Archivfunde, während der Professor X der Band, also Sänger und Songwriter Andreas Spechtl das alles von seinem persönlichen Zauberberg mit anekdotischen Essays kommentiert. Könnte alles furchtbar angestrengt und konstruiert sein, ist es aber nicht.

Trotz des babylonischen Ansatzes haben sich die rauschaffinen Indiepopstars eine Richtung verordnet und halten stets den Kurs. So kann man als Leser auch den assoziativen Quatsch an vielen Stellen genießen, denn man weiß, die Story verzettelt sich trotzdem nicht, sondern profitiert davon, wenn Janata über Essen, Flughäfen und Stefan Pabsts Geisteszustand phantasiert.
Sicherlich sollte man die Band und das Milieu kennen, das hier offen gelegt wird. Wer dem Anspruch und der Ästhetik von Ja,Panik nicht erlegen ist, der sollte sich diese aufgekratzt melancholische Tour hinter die Kulissen sparen. Doch wer auch nur irgendwas für die Ja,Panik übrig hat, der sollte das hier lesen. Es ist toll.
Wer noch Zeit hat: Hier eine persönliche Lieblingspassage zum Thema, wie interessante Musiker ins Theater abfließen. Soviel gerechter Zorn – es spricht Spechtl:

„Ein großer Alptraum von mir ist es nämlich, als eine Art Berufsmusiker in irgendeinem städtischen Theater zu enden. […] Wer ist denn mittlerweile nicht gelangweilt von den ganzen Popmusiker*innen, die sich heutzutage an jeder städtischen Pimperlbühne tummeln?
Was sich vor ein paar Jahren beide Seiten von dieser unglücklichen Liaison erhofft haben, ist im Endeffekt nach hinten losgegangen. Coole Musiker*innen bringen etwas von ihrer Coolness in die verstaubten Theater und werden im Ausgleich endlich ordentlich bezahlt für ihre Arbeit. Das mit dem Geld hat funktioniert, nur haben die Musiker*innen das Theater nicht von seiner Bräsigkeit befreien können. Ganz im Gegenteil. Das Theater hat auf sie abgefärbt und sie mit in sein schwarzes Loch aus Langeweile und Nichtigkeit gezogen. […] so werden sie diesen Einfluss auch nicht mehr in ihrer Arbeit außerhalb des Theaters los. Das Resultat sind die ödesten Platten, zu denen man sich beim Anhören ein zumindest mittelmäßiges Theaterstück wünschen würde.“

 

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