Bianca Xenia Jankovska

Der leidige Umgang mit freien Autoren – Schreiben für Geld

Eine Redaktion steht und fällt mit der Betreuung ihrer freien Autorinnen – die eben nicht wie sie selbst an den Büroschreibtisch gefesselt sind. Wie es das Adjektiv schon vermuten lässt, sind Freie in der Regel genau das: frei. Sie können problemlos vormittags zu Pressevorführungen gehen, auf der Dachterrasse eines hippen Cafés schreiben oder von zuhause aus dem Bett. Sie war fest in einer Redaktion und ist nun vogelfreie Schreiberin vom eigenen Baumhaus aus: Bianca Xenia Jankovska bringt das oft verminte Spannungsfeld zwischen Festangestellten und Selbstständigen für uns auf den Punkt. Fotos: Linus Volkmann.

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Leider hält sich der Irrglaube hartnäckig, dass nur festangestellte Journos die „richtigen Journos“ wären. Nicht selten habe ich unfassbar arrogante Mails gelesen oder zu lesen bekommen, in denen Festangestellte Dinge losließen wie: „Versuchen wir es mal mit dir ;))“ – oder „Mal sehen, wie sich das entwickelt…“ – als ob es sich bei freien Journos um Bittsteller handeln würde, die ihr Handwerk nicht beherrschen.
Kurzes Veto: nur weil es jemand über die Jahre hinweg schafft, sich trotz all der Hierarchien und ekeligen Ellbogentechniken in einem Büro zu behaupten, heißt das noch lange nicht, dass diese Person dafür geeignet ist andere Journos und Schreibende zu betreuen.
Ich habe da ein paar Tipps:

01 Hört auf, euch für etwas Besseres zu halten
Wie schon gesagt: Ihr könnt nicht zwangsläufig mehr als wir und ein paar Sätze reinzuredigieren, nur „um etwas getan zu haben“, ist keine Verbesserung der Arbeit. Im Gegenteil.

02 Hört auf, unsere Artikel zu verschlimmbessern
Kommt sowohl bei festangestellten, als auch freien Journos vor. Es gibt Weniges, das so hart auf das gekränkte Redakteurs-Ego drückt wie gute Artikel, die nicht von einem selbst stammen. Gerne fragen sie sich dann im geschlossenen Kammergespräch: Was könnten wir tun, anstatt zu loben? So lange darin rumfuhrwerken, bis der Stil der zu betreuenden Person zugrunde gerichtet wurde, zum Beispiel. Babysprache und unnötiges Kürzen gehören genauso dazu wie Einheitssprech.
Das Argument „Das versteht keiner“ ist übrigens: in den meisten Fällen gar keines. Es bedeutet so viel wie: Diese Formulierung ist zu elaboriert, als dass sie mir eingefallen wäre und deshalb musst du sie jetzt auf das Niveau eines 5-jährigen herunterbrechen, damit wir so viele Klicks wie möglich abgreifen. Wahrhaftige Kritik erkennt man daran, dass sich die Person Gedanken gemacht hat, wie man den Text tatsächlich besser machen könnte. Wenn sie einem Dinge aufzeigt, auf die man selbst nicht gekommen wäre.
Zugegeben: Es gibt leider auch sehr viele überlastete Journos, die weder Zeit noch Lust haben, mit Freien zu kooperieren und diese von ihren Chefs übertragen bekommen haben. In dem Fall ist die Zusammenarbeit meist genauso schnell beendet wie bei einmaligen oder zweimaligen Kooperationen, bei denen man sich nie wirklich kennenlernen konnte. Kleiner Trost: ihr seid in den meisten Fällen nicht Schuld daran.

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03 Seid erreichbar
Nichts ist schlimmer, als mit einem fertigen Text in der Schwebe zu hängen. Vor allem, wenn er tagesaktuell ist. Gebt doch Bescheid, wenn ihr etwas erhalten, gelesen oder für gut befunden habt, damit wir den Text gedanklich abhaken können. Gerade in Printredaktionen kommt es öfters vor, dass Texte verschoben – und dann irgendwann gar nicht mehr gebracht werden, weil sich niemand für den oder die Freie zuständig fühlt. Schade. Wenn man über einen Monat lang das Gefühl hat, ignoriert und aufs Abstellgleis gestellt zu werden, sollte man das ansprechen und im Notfall die Konsequenzen ziehen.

04 Ja, die Freien zu betreuen kostet Zeit – und ist kein Drei-Minuten-Anruf
Wer Freie halten möchte, sollte präventiv einen Skypetermin alle zwei Wochen vereinbaren. So können sich beide Partner sicher fühlen und alles Wichtige – von Themenauswahl, Wording, Social Media bis hin zur gestalterischen Umsetzung – besprechen. Eine gute Textchefin erkennt man daran, dass sie die Einwände der Freien berücksichtigt, diese abspricht und nicht einfach „das tut, was sie für richtig hält“ – nur um rechtzeitig nach Hause gehen zu können. Merke: Der Text einer anderen Person ist niemals deiner. Also behandle ihn auch mit dem gewissen Respekt.

05 Gib Feedback, wenn du an einer langfristigen Zusammenarbeit interessiert bist
Es ist immer schön, ein paar abschließende Worte mit dem Link zum Artikel zu erhalten, sobald die Geschichte durch ist. Schön, wenn man sich als Mensch und nicht als Maschine fühlen darf.

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Und was kann man selbst zu einer guten Zusammenarbeit beitragen?
Es ist eigentlich gar nicht so schwer. Als Erstes kommt der Pitch, nach der Zusage des Pitches die Deadline und dann die Arbeit. Am besten gibt man Texte drei oder vier Tage vor der Deadline ab, bespricht bei langen Texten einmal zwischendurch die Richtung, in die es geht oder gehen soll und bleibt für die Textchefin oder den Textchef erreichbar.
Man antwortet in angemessenen Zeiträumen, ändert Korrekturen, wenn sie einem sinnvoll erscheinen ohne noch fünfmal darüber zu diskutieren (kostet nur Nerven, bringt wenig) und freut sich auf eine reibungslose Zusammenarbeit, die andauert. Eine gewisse zwischenmenschliche Sympathie ist dafür allerdings essentiell. Wer schon bei der Stimme der anderen Person brechen muss, wird sich schwer für diesen Arbeitgeber verpflichten lassen – und umgekehrt.
Gerade beim Schreiben, dieser an sich sehr intimen Angelegenheit, bei der dich hunderte wenn nicht gar tausende von anonymen Menschen beobachten können, bedarf es eines professionellen Schutzraumes.
Wer noch keine journalistische Erfahrung hat, darf nicht vergessen: Wissenschaftliches Arbeiten ist nicht Journalismus, Tagebuchschreiben ist in den meisten Fällen nicht Journalismus (hab ich schon versucht!) und Filmexposés verfassen ist – leider – auch nicht Journalismus. Das Handwerk zu beherrschen ist wichtig, um überhaupt als Freie anfangen zu können. Es erfordert sehr sehr sehr viel Übung, Disziplin und Perfektionismus. Denn, mal ganz unter uns: Wer hat Lust, eure Texte drei mal hin und her zuschicken? Der erste Wurf muss in der Regel sitzen.
Besonders schön ist es, wenn man als Freie mit tollen, inspirierenden Chefs und Chefinnen zusammenarbeitet, die dich genau deshalb wollen, weil du denkst und schreibst, wer du bist.

Viel Glück!
Über eure Erfahrungen freue ich mich.

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