Disenchantment

“Disenchantment” – Warum die neue Serie von Matt Groening nicht funkioniert

Die ersten gut zehn Staffeln „Simpsons“ gehören bis in kleinste Details zum Popkultur-Basiswissen. Millionen und Abermillionen Mal wurden sie in aller Welt auf Schulhöfen, in Kneipen, bei Hang-Outs abgefragt. Die fast 20 (!) Staffeln danach besitzen diese Verbindlichkeit allerdings nicht mehr. Ideen-Erosion, Wiederholung, Gewöhnung. Neuere Generationen nutzen ja nicht mal mehr Fernsehprogramme. Wer ist schon Bart Simpson? Nun, dessen Schöpfer Matt Groening ist immerhin auf Netflix mit einer neuen Serie on: “Disenchantment“. Mittelalter-Fantasy und mehr Story. Ein totaler Flop ist sie außerdem. Von Linus Volkmann

„Futurama“ ist überall
Es sind hier gar nicht mal so sehr die „Simpsons“ als „Futurama“, was der neuen Serie jeglichen Novelty-Charakter nimmt. „Futurama“ war das erste Spin-Off Groenings, das er mit David X. Cohen realisierte. Die Sci-Fi-Nummer spielte alle erdenklichen Welten und eben auch das Fantasy-Mittelalter durch. Zum Beispiel „Bender’s Game“ in Spielfilmlänge (87 Minuten) aus der sechsten Staffel. Hier aber auch drum herum wurden alle „Herr der Ringe“-Gags abgefeuert. Das Setting von „Disenchantment“ wirkt daher nicht wirklich neu, sondern hinsichtlich des speziellen Cohen/Groening-Blickwinkel eher auserzählt.

Die Länge ist nicht entscheidend
Doch. Und hier liegt das Kernproblem von „Disenchantment“: Statt Sitcomlänge (20 Minuten) geht man auf dreißig. Um ein anderes Narrativ bedienen zu können und mehr in Richtung des Dramedy-Formats zu kommen. Doch die Figuren sind immer noch Cartoons, es ist also quasi ausgeschlossen, dass man darüber emotionale Nuancen oder Entwicklungen zeigen könnte. Das wird auch gar nicht versucht. Es gibt kaum mehr als “lustig”, “traurig”, “staunend” und “Hammer auf den Fuß gefallen”, das einem die Charaktere vermitteln wollen und können. Bloß ist dafür eine halbe Stunde zu lang. Der unweigerliche Blick geht zur Uhr beim Zuschauer. „Passiert da jetzt noch was?“

Passiert jetzt noch was?
Dem modernen Serien-Narrativ folgend unterliegt alles einer übergreifenden Story. Das typische Sitcom-Prinzip, dass am Ende jeder Folge wieder der Status Quo vom Anfang erreicht ist, ist ausgehebelt. Schön und gut, doch „Disenchantment“ macht überhaupt nichts aus dieser Mehrbödigkeit. Letztlich stehen die Folgen quasi komplett für sich, es gibt keinen „Pageturner“, man müsste nicht mal chronologisch gucken. Alibimäßig tauchen bloß immer wieder im Off zwei Figuren auf, die alles beobachten, kurz kommentieren und mit dem Dämonen einen Plan verfolgen, den der Zuschauer nicht kennt. Ganz zu Ende gewinnt das erst überhaupt an Bedeutung. Also ich bin kein Drehbuchschreiber, aber das ist für diesen Aspekt viel zu wenig – und dient schnell nicht mehr einer alles zusammenhaltenden Spannung.

Ey, Pointen wären gut gewesen
Dennoch spürt man eben, dass die Gags nicht so eng gestreut werden mussten wie im 20-minüter-Format, sie kommen spärlicher und sind viel zu oft wie bei schlechten oder halbguten Simpsons-Folgen: Sie tragen einfach nicht über die nun ja auch noch verlängerte Zeit.

Bart vs. Elfo
Der Elf aus dem Hauptfiguren-Trio sieht aus wie Bart Simpson in grün und mit Koteletten. Das irritiert einfach nur.

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Leela vs. Bean
Es ist wirklich ehrenwert, dass die verdiente Alt-Herrenriege um Matt Groening sich eine weibliche Hauptfigur gesucht hat. Gerade auch wenn man vor Augen hat, welch frustbeladene Frauenrollen „Die Simpsons“ besitzen gegenüber den lustvollen Trieb- und Tat-Mackern Homer und Bart. Doch bereits bei „Futurama“ hatte man sich die toughe Girl-Heldin gebastelt. Die Mutantin Leela, bezaubernd, trinkfest, aber durch einen Makel (Zyklopin) für den männlichen Nerd noch irgendwie erreichbar. Hier nun die widerspenstige Prinzessin Bean. Sie ist bezaubernd, trinkfest und durch einen Makel (Hasenzähne) für den männlichen Nerd noch irgendwie erreichbar. Und da wie erwähnt die Zeichnungen und Figuren nichts Dreidimensionales zulassen, wiederholt sich in „Disenchantment“ eigentlich nur der weibliche Main-Charakter von „Futurama“.

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Bender vs. König Zog
Überhaupt: Der Eindruck, nur eine weitere Folge „Futurama“ (was zuletzt nicht zu Unrecht abgesetzt wurde) zu sehen, drängt sich auch bei den Stimmen auf. Besonders markant ist Zog, König und Vater der Hauptfigur. Ständig muss er sich über seine Tochter ärgern – und man hört John DiMaggio mit genau der identischen rauen, halb übergeschnappten Stimme, mit der er auch den Roboter Bender ausstattete.

Postmoderne
Zuguterletzt: Die Postmoderne und das dauernde Raten, woher kennt man diesen oder jenen Quote, auf welchen Film ist das hier jetzt gerade eine Anspielung… Ja, ja, Opas. Das ist schon lange nicht mehr frisch, das ist – wie so vieles andere hier – einfach auserzählt.

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“Oh, der Eiserne Thron! Wie bei ‘Game of Thrones’, ich schnall ab. Zu köstlich!”

Finale
Argumente, Argumente, wen interessiert denn überhaupt sowas? Für alle Skeptiker an den oben angeführten Details hier der letztlich entscheidende Faktor, warum diese Serie nicht funktioniert:
Sie langweilt. Ganz einfach. Daran liegt’s.

 

 

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