Motion Picture Character of the Week

Ellie Kemper als Kimmy Schmidt

Dieses Strahlen in den Augen von Kimmy Schmidt, wenn in der Folge „Kimmy geht auf eine Party!“ (sollte man aber natürlich im Original sehen: “Kimmy goes to a Party!”) der Roboter Yuko-3000 durch die Tür tritt, erzählt außerordentlich viel über die von Ellie Kemper so überzeugend gespielte Rolle.

Nachdem Kimmy gemeinsam mit drei weiteren Mädchen 15 Jahre in einem Bunker in ihrem Heimatort im tiefsten Indiana eingesperrt war, in den Fängen eines zwielichtigen Doomsday-Sektenführers, macht sie sich auf nach New York, um die Welt zu erobern. Die mittlerweile 29jährige überstrahlt in ihren bunten Kindersachen all die neurotischen Bewohner der Metropole, inklusive der exzentrischen neuen Peer-Group, die sie dort um sich gruppiert.

Da wäre zum Beispiel Kimmys Mitbewohner Titus: schwul, schwarz, und chronisch pleite, da es für einen Schauspieler mit seinen Attributen kaum Rollen gibt, von den Klischees, die die wenigen mit sich bringen mal ganz abgesehen. Sein Bankautomat spuckt immerhin schon einen „Negative One Dollar Schein“ aus. Wunderbar auf den Punkt gebracht wird das Dilemma, wenn Titus beschließt, lieber dressed als Werwolf und eben nicht als Afro-Amerikaner durch die Straßen New Yorks zu gehen, und dies nüchtern mit “Es ist so viel einfacher!“ kommentiert.

Oder ihre Chefin Jaqueline. Eine High-Society-Lady, die so versnobbt ist, dass sie das Atmen einstellen würde, wenn sie jemanden finden könnte, der auch das noch für sie übernimmt. Nachdem ihr Mann, ein hoch handelnder Wall Street Banker, sich von ihr trennt, droht sie In ihrer großen Stadtvilla zu verrotten. Wenn da nicht Kimmy wäre, die für Jacqueline, wie überhaupt für alle um sie herum, zum aufgekratzt-glücklichen, kunterbunten Halt wird.

Viel von seinem Humor nimmt die Serie aus dem blinden Fleck, den die 15 Jahre im Bunker haben entstehen lassen. Eingesperrt 1998 kennt Kimmy Schmidt die wunderbare Freiheit, aber auch das zerstörerische Potential des Internets nicht wirklich, wie sie auch zwar das Handy in seinen ersten Zuckungen noch mit bekommen hat, aber von Smartphones und dem Lebensstil, der mittlerweile an ihnen hängt, nichts ahnt. Oder um vom scheinbar banalen zum politisch manifesten zu kommen: In ihrer Welt hat es nie ein 9/11 gegeben. Deswegen ist ihr Blick auf und ihr Leben in New York allein durch Schwerelosigkeit gekennzeichnet.

Diese Zeitreise ist von Tina Fey und Robert Carlock genial eingefangen worden. Immer wieder wird Kimmy damit konfrontiert, dass sie a) alles anders und rückständiger kennt und b) eben nicht mehr das 14 Jahre alte Mädchen ist, als dass sie einst in den Bunker gebracht wurde. Beide Zustände sind aber eher Glück denn Unglück. Ihre 80er und 90er modischen und sprachlichen und popistischen Referenzen sind aktueller denn je, ihr jugendlicher Leicht- und Wahnsinn so erheiternd und beglückend.

In der am Anfang erwähnten Szene betritt Yuko-3000, ein tanzender und singender Roboter den Raum und in Kimmys Augen ist pure, kindliche Begeisterung zu sehen – und während sie sich freut, werden Titus und Jaqueline sauer. Yuko-3000 scheint sie zu verdrängen, die eine als Frau im Leben von Kimmy, den anderen als den Schauspieler in ihrem Herzen.

Gegen diesen Druck, gegen diesen Gram tritt Kimmy an – ein Mädchen im Körper einer Frau im Kampf mit dem Wahnsinn der heutigen Zeit. Einer der glücklich machendsten Charaktere, der letzten Jahre.

 

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