Record of the Week

Health „Death Magic“

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„Death Magic“
(OMA VISTA RECORDINGS)

Als ich „Dark Enough“ zum ersten Mal höre, wird es gerade dunkel und ein frischer Wind zieht auf. Nach einem langen Tag am Strand stöpsele ich mir Health ins Ohr und bahne mir einen Schleichweg durch hohe Weizenfelder und dorniges Gestrüpp, dazu diese so traurige wie erhebende Synthie-Hookline, die Lyrics, „it doesn’t make a difference how I feel…“ – das haut mich schier um. Ein regelrechtes Naturerlebnis hab ich da, obwohl diese Musik bestimmt für ganz andere Räume gedacht ist. Vielleicht für leere Tiefgaragen, in denen morgens um halb vier Grufties tanzen.

Inzwischen habe ich das komplette Album „Death Magic“ zigmal gehört, in den verschiedensten Umgebungen und Situationen, und kann jetzt, Ende August behaupten, dass mich in 2015 noch kein Album gleichzeitig so begeistert und geärgert hat. Warum?
Tja, es fühlt sich so an, als wäre ich Health bzw. HEALTH aus Los Angeles gehörig auf den Leim gegangen. Als hätte die Noise-Rockband  ganz genau kalkuliert, wie viel sägender Industrial-Lärm und technoide Beats nötig sind, um die cheesy Depeche-Mode-Harmonien abzupuffern; und ich steig’ halt voll drauf ein. Gerade will ich noch mit leicht angewidertem Zug um den Mund sagen, dass „Life“ ja fast so klingt wie die widerwärtigen Hurts vor ein paar Jahren, nur nicht ganz so seelenlos, schon allein wegen Jake Duzsiks sanften Neil-Tennant-Vocals, dass der Song mit seinem wattigwolkigen Gedöns um den Refrain herum aber ganz schön vorhersehbar ist – und schon singe und tanze ich wie gehirngewaschen den blödesten Text aller Zeiten mit, „life is strange / we die and we don’t know why / nobody knows / nobody knows…“, oh Mann! Ich steh’ drauf! Auch „Flesh World“ und „L.A. Looks“ sind einerseits fürchterlich verjammert und dabei so unfassbar catchy – mit Tracks wie „Stonefist“ oder „Saliva“ steuert Health dagegen, damit es nicht allzu sehr wirkt wie auf einer Depeche-Mode-meets-The-Cure-Party. Es fiept und ballert und man weiß wieder, dass Health ja eigentlich im Umfeld von Crystal Castles und Fuck Buttons zuhause sind bzw. waren.

„Death Magic“ (schon allein der Titel, bitte!) sollte sich auf Wunsch der Band „modern“ anfühlen und „zugleich intensiv und heavy“. Also doch Berechnung, klar, Health hatten sich schließlich zwei Producer ins Studio geholt, die aus ganz anderen Ecken kommen (Andrew Dawson/HipHop, Lars Stalfors/Indierock), um diese Vision zu verwirklichen. Auf ihren letzten Alben „Get Color“ und „Disco2“ und natürlich dem Max-Payne-III-Soundtrack konnte man Health schon anmerken, dass purer Lärm nicht (mehr) das ist, was sie wollen. Dass sie eine gewisse Zartheit in sich haben, die raus soll – auch in den Texten, die man naiv nennen kann, aber auch existenzialistisch, irgendwie („all the bones were strong before they broke“, heißt es in „Flesh World“).
Und am Schluss, als ich mich schon wieder aufregen will über die emotional aufgeladene Ballade „Drugs Exist“, mit der uns Health ins All / Jenseits / Nirwana / die hellerleuchtete Tiefgaragentanzfläche entlassen… skippe ich zurück zu „Dark Enough“, weil ich diese schwarznachtblaue Melancho-Euphorie nochmal haben will, verdammt.
Christina Mohr

 

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