RECORD OF THE WEEK

Japanese Breakfast “Soft Sounds…”

Cover_JapaneseJapanese Breakfast
“Soft Sounds from Another Planet”
(Dead Oceans/Cargo)

Der Tod in der Popmusik – er wird nicht nur oft referenziert, er ist auch ein innerer Bestandteil der Kunst an sich. Auch im letzten Jahr gab es wieder einige großartige Alben, auf denen uns das Thema (gewollt oder nicht) begegnete: Auf „Blackstar“ von David Bowie oder „Skeleton Tree“ von Nick Cave & the Bad Seeds beispielsweise. Diese Platten behandelten nicht nur den Tod, sie klangen auch danach. „Psychopomp“ von Japanese Breakfast gehört auch in diese Reihung der Todesalben 2016, obgleich die Songs der Platte – zum Beispiel „Everybody Wants to Love You“ – nicht wirklich nach Ableben klingen. Die Musik von Japanese Breakfast ist jedoch direkt mit dem Tod verbunden: Michelle Zauner, Frontfrau und Mastermind, pflegte ihre im Sterben liegende Mutter während sie das neue Projekt begann, die Release des 2016 Debuts „Psychopomp“ erlebte die Mutter dann schon gar nicht mehr mit. Der darauf enthaltene, stark von Shoegaze geprägte, Indie Rock thematisiert viele ihrer eigenen Erfahrung aus dieser emotionalen Ausnahmesituation.

Nicht einmal ein Jahr später veröffentlicht Michelle Zauner nun das Nachfolgewerk „Soft Sounds from Another Planet“ und man kann getrost sagen: Der Name ist Programm. Auf der Platte reihen sich softe und sphärische Songs lose aneinander, viele Stile werden angeschnitten, zahlreiche Referenzen verstreut und das Endresultat ist ein feines Indie Pop-Potpourri. Die Single „Machinist“ steht exemplarisch für das Mäandern zwischen glamourösen Electro-Pop, moderne Auto-Tune-Ästhetik und – Achtung – 80’s Instrumentierung. Man höre: das Saxophon-Solo. Im dazugehörigen Video wird es dann abgespaced: Zauner ist die Heldin eines Science-Fiction-Films – eine toughe Frau, voll bad-ass, deren Person an die ikonische Sigourney Weaver in James Camerons „Aliens – Die Rückkehr“ erinnert. Das überdrehte Video lässt vergessen, dass es im Text darum geht, dass sich eine Frau in eine Maschine verliebt. Auch nur Science-Fiction oder schon längst möglich? Egal, all is full of love.

Auf „Soft Sounds“ stellt sich schnell das merkliche Gefühl ein, dass das Album tatsächlich „soft“ ist – sehr soft, vor allem verglichen mit dem eher Lo-Fi und vor allem Shoegaze-mäßig klingenden Debut. Mit dem Cleanen einher geht eine deutliche Hinwendung zu Pop-Einflüssen: Mal klingt Kate Bush an, mal Björk. Der interessanteste Popsong des Albums ist das groovige „Road Head“: Mit Kopfnickerbeat und bewusst lässiger Intonierung lässt Zauner den sich schleichend-entwickelnden Track zu einem unwiderstehlichen Hit für späte Stunden werden. Fun fact am Rande: Der Titel „Road Head“ bezieht sich auf einen umgangssprachlichen Terminus für Oralsex beim Autofahren.

Dass das Album nicht so kohärent ist wie das Debut ist kein Makel: „Soft Sounds“ ist eine gelungene Mischung verschiedener Stile, die durch eine deutlich saubere Produktion gut zusammengefasst werden. Es wirkt wie ein Pop-Querschnitt über die jüngere Musikgeschichte, vorgetragen von einer der spannendsten Protagonistinnen des aktuellen Indie-Games.
Der schönste Song des Albums ist das melancholische „Boyish“, ein herzzerreißende Ballade, irgendwo zwischen sphärischen Klängen à la Slowdive und der textlichen Befindlichkeiten einer Angel Olsen.

In all den schönen, verträumten Soundscapes auf „Soft Sounds from Another Planet“ verbirgt sich eine Menge persönliches Leid und Trauerarbeit – und eben das vermag Zauner in etwas Großartiges zu verwandeln. Mit ihrem zweiten Album etabliert sich Michelle Zauner, Tochter einer Koreanerin, nicht nur als wichtiger Act in der gegenwärtigen Indie-Szene, sondern auch als führende Stimme der MusikerInnen Asiatisch-Amerikanischer Herkunft in der Indie-Szene.
Florian Kölsch

 

Info: Japanese Breakfast spielen am 23.10.2017 im Blue Shell in Köln.

 

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