Record of the Week

Rick Astley “Beautiful Life”

Rick_Astley_CoverRick Astley
“Beautiful Life”
(Warner)

Das gibt es auch nicht oft: Von einem der meistgehassten zum liebgehabtesten Popstar zu werden – okay, Rick Astley hatte dafür gut dreißig Jahre Zeit, aber ungefähr 25 davon hat er noch nicht mal Musik gemacht. In den ausgehenden 1980er Jahren galten Rick Astley und die gesamte Stock-Aitken-Waterman-Chose als Sargnägel der „echten handgemachten Musik“. Warf man die SAW-Produktionen auch noch mit Modern Talking etcetera in einen Topf, schien für viele besorgte Konsumenten der qualitative Runterbruch besiegelt – und für eine/n selbst war es ja auch nicht leicht, die unverhohlen gut gelaunten Hits von Kylie Minogue, Samantha Fox, Mel & Kim und natürlich Rick Astley mit dem mühsam aufgebauten eigenen Düster-Image und der aus Cure- und Nick-Cave-Platten bestehenden „Sammlung“ zu vereinbaren. Trotzdem war (und ist!) die Stimmung, ganz egal wann und wo, nie besser, als wenn „Never Gonna Give You Up“, „Together Forever“ oder „Whenever you need somebody“ laufen – und alle können die Texte mitsingen, mal ganz nebenbei.

Astley hatte einen Job als Botenjunge im Stock-Aitken-Waterman-Büro, bis ihn jemand fragte, ob er nicht mal singen wollte – als einer der wenigen konnte er das richtig gut, und dann ging es ganz schnell: 1987 wurde „Never Gonna Give You Up“ zum weltweiten Nummer-Eins-Hit, die Nachfolgesingles gingen genauso durch die Decke. Toll natürlich; für Astley, der damals erst Anfang 20 war, aber auch eine immense Belastung – wie und womit sollte man weitermachen, so ganz ohne Laufbahn, sondern als Weltstar aus dem Stand? Nach ein paar eher depressiven Platten mit sprechenden Titeln („Cry for Help“, „Hopelessly“) zog sich Astley in den frühen 90er Jahren zurück, um sich seiner Familie zu widmen. Ein frühverrenteter Superstar, von dem bald niemand mehr sprach – bis ein Scherzbold 2007 das „Rickrolling“ erfand: Nichtsahnende Internetsurfer wurden mit reißerischer Videowerbung („Julia Roberts nackt!“) gelockt – um nach wenigen Sekunden Rick Astleys „Never Gonna Give You Up“ präsentiert zu bekommen, „you have been rickrolled!“ Dieser Hoax ist mit dafür verantwortlich, dass Rick Astley auch bei sehr jungen Menschen sehr bekannt und zumindest ironisches Gutfinden bei den Älteren erlaubt ist – er selbst nimmt die Sache mit Humor.

Und heute zeigt ausgerechnet Astley den Griesgramen von früher, wie das so geht mit handgemachter Musik: Schon sein eher zufälliges Comeback-Album „50“ von 2016 nahm er in seinem eigenen Studio auf, schrieb die Songs und Texte selbst und spielte alle Instrumente ein. Weil er ja nicht Adele ist, heißt seine neue Platte („…ich ahnte, dass die Leute nach ’50’ neue Songs hören wollen“) nicht „52“, sondern „Beautiful Life“ – ganz schlicht deshalb, weil er ja ein schönes Leben habe, so Astley.
So ist der Tenor des Albums rundum positiv, aber nicht im penetranten happy-style, sondern eher ein bisschen demütig, vorsichtig: „we have to find a better way“ singt Rick im supertanzbaren Opener und Titeltrack, der mit knackiger Chic-Gitarre so etwas wie sein „Lose Yourself to Dance“ ist; auch „Chance to Dance“ geht schwungvoll zur Sache – aber nicht jeder Song ist gut: „She makes me“ und „Shivers“ sind eher schwierige Schmachtballaden, auch „Last Night on Earth“ schlägt in diese Kerbe. Aber wenn man diesen Part überstanden hat, dann geht es wieder: Dass Astley großer Ed-Sheeran-Fan ist, hört man „Every Corner“ an – ein perfekter Popsong auf Höhe der Zeit; auch das swingende „Better Together“ und das drangvolle Klavierdramolett „I Need the Light“ verraten den Musiknerd Astley, der sich auf keinen Fall von anderen Leuten Lieder schreiben lassen will.

Einen Rückblick auf die eigene musikalische Sozialisation gibt er im Schlussong „The Good Old Days“: „Someone saved my life every single night / when the words and the music played / when the records took me away / I just listened to the music / to the words and the music“ – ach, das ist schon schön, und ich freue mich ganz unironisch darüber, dass Rick Astley wieder da ist.

Tourdaten:
13.09.18 München – Tonhalle Kultfabrik
14.09.18 Frankfurt – Batschkapp
16.09.18 Köln – E-Werk
17.09.18 Hamburg – Große Freiheit 36
18.09.18 Berlin – Admiralspalast

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