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Jede Woche ein Rant: Heute … Fußball-Fans

16. Mai 2018,

Wer in Bezug auf Internet-Humor nicht aufpasst, bleibt irgendwann vielleicht doch hängen bei Willy Nachdenklich, oder Tattoofrei oder – WLAN, bewahre – bei dem moralischen Postkarten-Opa Barbara. Um möglichst vielen dieses Schicksal zu ersparen, haben wir bei kaput keine Mühen gescheut und das geilste Facebook-Portal überzeugt, uns regelmäßig Content zu überlassen. Es geht um den schillernden Hass des Kollektivs “Jeden Tag ein Rant”. Bei uns nun eben einmal die Woche, für mehr sind wir zu alt. Thema diesmal etwas beruhigendes: Fußball-Fans.

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Fußballfan sein ist wirklich kacke. Nicht nur wegen der üblichen Dinge, die man schon zur Genüge gehört hat (Nationalismus/Lokalpatriotismus, Spektakel, Millionenverträge, Korruption, Scheiß-Macho-Kultur) und über die man als Ideologiekritiker gerne mal hinwegsieht, sondern auch, weil es noch VOR Kegeln, Dart und Radrennen die wirklich langweiligste Sportart der Welt ist.

Es rollt die ganze Zeit ein Ball rum, wird geschossen, dann ist er wieder im Aus. Einwurf. 22 Leute laufen auf einem Rasen rum, verteilen sich immer wieder unterschiedlich. Wenn man Pech hat, war’s das. 0:0.
Bei den meisten anderen Sportarten wird wenigstens jeder Punkt ausgetragen und man muss als Zuschauerin dabei bleiben. Bei der Tour de France kann man wenigstens, gerade wenn alle gedoped sind, im TV schöne Aufnahmen von der Landschaft sehen. Fußball hingegen: Einfach gähnende Langeweile.
Außerdem… wie komplett hohl ist es eigentlich, zu einem Verein zu halten, dessen Spielerzusammensetzung UND Trainer alle halbe Jahr komplett wechselt? Wie kann man das denn noch mit irgendwelcher „Liebe zum Sport“ rechtfertigen, wenn es doch einfach ganz offensichtlich eine widerliche Ersatzhandlung / ausgelagerter stumpfer Patriotismus ist? Novak Đoković kann man wegen seines Aufschlags toll finden, Michael Phelps wegen seiner Nacktheit und Hannover 96 wegen… den Pommes Schranke, die es da zu kaufen gibt und wegen der treuen Fangemeinde, deren harter Kern alle zwei Wochen in vollgesifften stickigen Bussen besoffen 6 Stunden lang zum Auswärtsspiel fährt und Ossis prügelt. Außerdem, dieses nervtötende „stimmungsmachende“ Hintergrundgeräusch im Stadion, erzeugt auch noch durch menschliche Stimmbänder – welcher Mensch ohne übermäßigen Hang zum Faschismus hält denn das aus?!

Unter Linken gibt es zwei Arten von Fußballfans. Einmal die „St. Paulianer“, die sich wiederum in zwei Gruppen aufspalten: Entweder wohnen sie in in einer fetten Eigentumswohnung auf St. Pauli, sind Gymnasiallehrer, lesen 11 Freunde und gehen auch zu alt-j-Konzerten, dann sind das aber keine richtigen Linken (nicht unbedingt wegen der Eigentumswohnung, sondern weil einfach drum). Die andere Gruppe der St.-Pauli-Fans verbringt etwa 2/3 ihrer Woche damit, die nächste Fanclub-Aktion mit lustigen T-Shirts, Bonbonwerfen, geistreiche Lieder aufnehmen und Rauchbomben zünden zu planen oder andere Fußballfans zu boxen, das sind die kleinbürgerlichen Ultras, die sind zwar meschugge, aber eigentlich ganz okay.

Dann gibt’s noch die Ideologiekritiker, meistens stehen sie eh schon unter ADM-Verdacht (Anti-Deutsche-Macker). Sie nehmen einfach ihren „Heimatverein“ oder irgendeinen anderen Verein, der irgendwie als halbwegs links gilt (z.B. FC Liverpool).
Sie brauchen Fußballkultur, um mit anderen ihrer Art zu bonden und um im Leben Struktur zu bekommen. Denn die Kritik hat keinen Boden und manchmal, wenn man da in dieses schwarze Loch blickt, wird einem ganz schwindelig. Deswegen: Fußball, Mitfiebern, Grölen, endlich mal die ganzen Hormone ungestraft rauslassen können. „Da kann ich mich endlich mal entspannen“.
Was daran auch cool ist: Man sich mal so richtig schön mit dem Proletariat solidarisieren, auf das man sonst eher von oben herabschaut.

Warum spielen diese Leute nicht einfach mal selbst mehr Fußball oder noch besser: machen was ganz anderes, statt vor der Glotze zu hängen und wie die Schafe ins Stadion zu pilgern (wo man übrigens meistens eh nicht besonders viel sehen kann – es KANN also nur um dieses dumpfe Patriotismusgefühl gehen)? Und jetzt kommt mir nicht mit „Aber letztes Jahr wurde da auch ein ganz tolles antirassistisches Turnier veranstaltet!“ – das ist ja schön und gut, macht euren beschissenen Kontrollverlust und alle anderen Scheißphänomene der Fußballkultur (s.o.) aber AN SICH nicht besser. Übrigens sind Fußballfans für mich persönlich auch unsexy as fuck.

Also, lassen Sie sich gesagt sein: Das Proletariat hat keine Heimat und Sie bitte auch nicht bei Schalke04.

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