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Jede Woche ein Rant. Heute… Abtreibungsgegner

Wer in Bezug auf Internet-Humor nicht aufpasst, bleibt irgendwann vielleicht doch bei Willy Nachdenklich, oder Tattoofrei oder – WLAN, bewahre – bei dem moralischen Postkarten-Opa Barbara hängen. Um möglichst vielen dieses Schicksal zu ersparen, haben wir bei kaput keine Mühen gescheut und das Autorinnen-Kollektiv des geilsten Facebook-Portal überzeugt, uns regelmäßig Content zu überweisen. Konkret dreht es sich hierbei um Feelgood-Hass unter dem Banner “Jeden Tag ein Rant”. Bei uns läuft die Nummer allerdings nur einmal die Woche, für mehr sind wir zu alt. Heutiges Thema: Abtreibungsgegner.

Die jt1r-Redaktion war vor kurzem bei einem Screening von diesem einen Abtreibungsfilm (“24 Wochen”) und der darauffolgenden Diskussionsrunde, die aber irgendwann ziemlich dumpf wurde. Natürlich wurden ein paar Argumente gegen späte Abtreibung vorgetragen aber diese ließen sich hauptsächlich auf den Punkt zusammenfassen: „hätte meine Mutter mich abgetrieben, wäre ich heute nicht hier“
Diese ganze Argumentation habe ich noch nie wirklich gerafft. Weil, wenn deine Mutter dich abgetrieben hätte, hättest du nie ein Bewusstsein gehabt und es hätte auch niemand bei linken Filmscreenings gewusst dass du heute nicht hier wärst, allen voran du.
Meine Mutter hatte auch einen Schwangerschaftsabbruch und trotzdem würde ich ihr niemals vorwerfen, mein „Geschwisterchen“ nicht bekommen zu haben. Die einzige Person, die es nämlich irgendwie heute noch betrifft, ob Schland noch einen Extrabewohner hat, ist: Mutter. Und deswegen ist das auch ihre scheiß Entscheidung.

Und auch wenn ich so lustige Transpi-Sprüche bei Demos immer hasse: “I can’t believe i still have to protest this shit.” Abtreibung war in den letzten Jahrzenten null Thema in der deutschen Politik. NULL. Während sich alle bis zum Erbrechen mit irgendwelchen Frühzeiterkennungen und „Designerbabies“ in Ethikräten auseinandersetzen, fristet die IMMER NOCH illegale Abtreibung ein Nischendasein, obwohl in dem ganzen Thema Abtreibung essentiell ist – denn sonst könnte man sich die Pränatale Diagnostik ja auch schenken.

Das Abtreibungsgesetz in Deutschland ist so paradox und dumm, dass ich einfach nicht checke wie man sich darauf irgendwann mal einigen konnte. Das ist als würde ich zu meiner Katze sagen: Hey, vom Katzengras zu essen ist zwar illegal, aber ich bestraf dich nicht, aber wenn du auf deiner Webseite das Wort Katzengras schreibst KOMMST DU VOR GERICHT, WEIL ICH EIGENTLICH IMMER NOCH FINDE DAS KATZEN WENIGER WERT SIND ALS KATER UND IHRE FÖTEN ÜBER IHR EIGENES LEBEN GESTELLT SEIN SOLLTEN IMMER.
(Aus gegebenem Anlass dieser Link. – JAOK, change.org könnte man auch mal ranten, aber hier war der Webaktivismus vielleicht gar nicht so verkehrt…)

Ich kann es echt nicht glauben, dass manche Menschen immer noch das Bedeutungslose rumhängen von Zellansammlungen in Gebärmuttern über alle anderen Lebensentscheidungen stellen, die eine Frau trifft. Und dann nicht mal ein besseres Argument haben als: „Hey, aber es hat doch schon Fingernägel, also ist es wichtiger als du und deine psychische und allgemeine Verfassung, reiß dich halt mal zusammen.“ Ich stell mir dann auch immer vor wie so Fundi-Mütter von acht Kindern auch mal “was für sich schaffen wollen”, während der Mann arbeiten geht und statt 450€ Job bei Kaufhof setzen sie sich vor den PC und schicken online Anzeigen raus. Cool.

Dass strukturelle Probleme auf dem Rücken von zufällig ausgewählten Frauen ausgetragen werden, ist nichts neues, dennoch aber einfach nur mühsam. Frauen mit Hass zu überschütten, die sich für einen späten Schwangerschaftsabbruch entscheiden fällt scheinbar vielen Menschen leicht, darüber nachzudenken, warum Spätabbrüche nur bei Kindern mit Behinderung erlaubt sind und was das über unsere Gesellschaft aussagt, scheinbar nicht so.

Das Ding ist: Eine befreite Gesellschaft ist erst erreicht, wenn Frauen, wann und warum auch immer sie es wollen, einen Schwangerschaftsabbruch durchführen dürfen. Man muss einfach gleichwenig Bock auf ALLE Kinder haben dürfen, ohne dass dies durch gesellschaftliche Hürden und Stigmata bestätkt oder veringert wird.

Und wenn meine Mutter mich abgetrieben hätte, gäbs diesen Text nicht aber ich müsste mir auch keine sexistischen Kommentare unter unseren Rant-Posts geben also kein Problem, thanks for nothing mum, i guess.

ranz

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