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Jede Woche ein Rant. Heute… Backpacker

Wer in Bezug auf Internet-Humor nicht aufpasst, bleibt irgendwann vielleicht doch hängen bei Willy Nachdenklich, oder Tattoofrei oder – WLAN, bewahre – bei dem moralischen Postkarten-Opa Barbara. Um möglichst vielen dieses Schicksal zu ersparen, haben wir bei kaput keine Mühen gescheut und das geilste Facebook-Portal überzeugt, uns regelmäßig Content zu überlassen. Es geht um den Feelgood-Hass des Kollektivs “Jeden Tag ein Rant”. Bei uns nun eben einmal die Woche, für mehr sind wir zu alt. Thema heute: Backpacker. Gesponsored wird diese Folge von Jack Wolfskin, oder wie diese Funktionskleidungsdrecksaffen heißen.

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Man weiß ja: Früher war alles genauso scheiße wie heute. Rucksackreisen aber vielleicht ein bisschen weniger belastend.
Wenn ich mich durch die Social-Media Profile meiner alten Stufenkameraden stalke, fällt die extrem gestiegene Reiselust (hashtag: #wanderlust) auf. Von Manhattan bis Mannheim wird alles gesquatted, was sich durch 1-3 adäquate Filter jagen lässt und Mittelamerika ist das neue Malle.
Dabei betonen sie stetig, wie unwichtig ihnen Materielles und wie wichtig Reisen ist, sie posten Sprüche wie „Spend your money on expierences, not things“ und „When in doubt: travel“ und da IHNEN Materielles ja so unwichtig (Geld aber trotzdem da) ist, lösen sie ALLE Menschen und deren Bedürfnisse von ihrer Materialität, vor allem aber die der Bewohner des jeweiligen Landes, das sie bereisen. Die Logik dahinter: Die haben hier nichts, wirken trotzdem irgendwie so fröhlich und zufrieden, das heißt die sind bescheiden (Tugend!!!) und wollen auch nicht mehr.
Wandtattoos finden diese Globetrotter, die „in der Welt zu Hause“ sind, schon auch sehr peinlich, das machen ja nur die „Asis von RTL2“, lol, aber in die Instabio „To travel is to live“ schreiben: kein Problem. Und da halten sie auch prominent die Nummer der Länder, in denen sie schon waren fest – im Länder sammeln hat sich der Geist des deutschen Nazifaschismus anscheinend ziemlich unbeschadet überlebt.
Und egal an welchem Ende dieser Welt man in einem verkackten Hostel absteigt und nach einem Tag im „chicken bus“ (weil viel größeres Abenteuer, wooow) sich eigentlich nur mit billigem Schnaps in den Schlaf saufen will: Irgendwo wartet immer schon ein Sören in der Hängematte in der Social-Area auf dich, um dir aus seinem zerfledderten Lonely Planet vorzulesen und seinen kompletten bisherigen Trip runterzuleiern inkl. des crazy Rastamanns, der supernetten Locals, supernett, wirklich, obwohldiehiersowenighaben, so wenig, aber so nett, die *w o l l e n * gar nicht mehr, sonst hätten sie ja was, klaro, und dabei winken seine mit Hühneraugen übersäten Zehen fröhlich aus seinen Trekkingsandalen.
Falls es regnet, hat Sören seine Jack-Wolfskin Allround-Jacke am Mann, eigentlich regnet es nie und die Temperatur fällt nicht unter 20 Grad aber in der Jacke hält er es trotzdem bis minus 130 aus und da nimmt man die doch lieber mit, „haben ist besser als brauchen“, auch so ein Sören-Spruch, den sagt er aber immer mit einem Zwinkeremoji im Geiste
Sören macht außerdem folgende Dinge: Jeden Post von „Barbara“ liken, Soziologie in Bielefeld oder Tübingen studieren und vegane Zucchinispaghetti selbst. Sahra Wagenknecht findet er süß und manchmal, so 2 Mal im Jahr, geht er zu McDonalds (das seine Eltern früher „Mc Doof“ genannt haben, das er jetzt „zum goldenen M“ nennt), aber nicht seiner Freundin sagen, bitte.
Rucksack-Almans erkennt man außerdem daran, dass sie im Ausland nie auf andere Almans treffen wollen. Passiert es doch, macht sie das richtig fertig, man kann sie dann gut ärgern, wenn man ihr Kartoffelsein direkt enttarnt und sie konsequent auf Deutsch anredet. Sie plaudern dann sichtlich gequält ein bisschen mit dir, verdrücken sich aber schnell zu den „Aussies – die sind immer so funny“ oder suchen verzweifelt nach Locals, die mit ihnen abhängen wollen, denn man sei „ja wirklich nicht ins Ausland gefahren, um überall auf andere Deutsche zu treffen, sondern ein bisschen von der Kultur aufzusaugen.“ Und das ist so ca. das Kartoffeligste, das geht.
Falls der Rucksack-Sören in Deutschland aus einer landschaftlich ganz annehmbaren Ecke kommt, hat er zu 87% seine „Heimat“ mal halb-ironisch mit „Da wohnen, wo andere Urlaub machen“ beworben. Meistens in der Stadt, in der er gerade wohnt und studiert (Bielefeld oder Tübingen), die er aber nicht mit Heimat meint. Was er genau mit Heimat meint, außer der losen Anordnung von Häusern, die sein Herkunfts-Kaff formieren, weiß er auch nicht so genau, vielleicht das Bier oder das Vertrautsein mit der Hässlichkeit und Ödnis.
Und weil wir alle schonmal ein bisschen Sören waren oder erdulden mussten, fordern wir: Luxusurlaub darf kein Luxus sein! Zugang zu 5-Sterne-Hotels für alle und Flatrate an der Cocktailbar! Da wohnen, wo andere wohnen und da Urlaub machen, wo andere Urlaub machen. Nie wieder Costa Rica 2013, nie wieder Sören!

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