Linus Volkmann

Welche Bands Punk kaputt gemacht haben. Teil 3: Die Toten Hosen, Donots, Green Day

An dieser Stelle hier werden regelmäßig Verantwortliche vorgestellt, die Punk zu dem untoten Zombie gemacht haben, der er heute ist. Aus technischen Gründen kann dabei auf niemand Rücksicht genommen werden. Die Redaktion bittet dies zu entschuldigen. Folge 3.

VON LINUS VOLKMANN

20160720_151923_resizedDonots
Die sexy Schlafzimmergesichter aus Ibbenbüren, bei denen einst sogar mal Momo aus der Lindenstraße spielte. Gern würde man die Selbsthilfegruppe hier in die Fritteuse der Wahrheit tunken, doch es geht ja um Punk! Daher kann auf diese pulsierende GbR nicht Bezug genommen werden.

Die Toten Hosen
Es muss im letzten Jahrtausend gewesen sein. Man bezahlte sein Ed von Schleck noch mit D-Mark, im Fernsehen lief Al Bundy. Zudem gruselte (oder onanierte) man sich bewusstlos zu dem ersten Lara-Croft-Teil, also zu „Tomb Raider“.
Zu dieser Zeit begab es sich, dass mich meine Eltern auf eine aufregende Erlebnisreise rund um die Welt schicken wollten. Ach, warum lügen? Also, meine alleinerziehende Mutter hatte sich von ihrem kleinen Geld den großen Traum verwirklicht, mich zwei Wochen in einer städtischen Jugendfreizeit zu parken. Es ging ins Landschulheim auf der Ronneburg irgendwo im Arsch von Hessen.
Das passte mir alles natürlich nicht so gut, denn ungeachtet meines Nachnamens bin ich nicht so der klassische „people’s man“. Als meine Hobbys fungierten damals wie heute eher das Sitzen auf einem Stuhl im abgedunkelten Zimmer und das Warten auf den Tod. Was vielleicht ein bisschen trist klingen mag, ist allerdings, hat man sich erstmal eingefunden, eigentlich ganz nice. Man kann die ultimative Langeweile einfach zu neuer Meisterschaft führen. Was mir dagegen überhaupt nicht behagt, ist Kontakt mit Menschen.
Dennoch blieb mir nichts übrig, Mutter wollte mich bei der Ferienfreizeit, also geschah es.
Am meisten nervte in diesen Tagen ein Betreuer mit bunten Haaren und wirren Klamotten. Sein Status war Zivildienstleistender – oder vielleicht musste er sich auch nur um uns kümmern wegen abzuleistender Sozialstunden. Weiß man’s?
Jedenfalls immer wenn die älteren Kids eine Party aufstellten, also mit dem Jugendherbergs-Inventar ein Lagerfeuer veranstalteten, sich bei Spielen wie „Mäxchen“ oder „Brennnessel“ gegenseitig verstümmelten oder literweise Apfelkorn tranken, also immer dann war dieser Typ da und schritt ein. Als wäre er die Stasi 1972. Nicht mal laute Musik war erlaubt, nur leise Enya durfte gehört werden. Und als ich versehentlich (mehr oder weniger) an einer Art Joint zog, gab er mir eine Ohrfeige und benachrichtigte meine Bullen und meine Mutter. „Meine Bullen“, hä? Egal, ich lösch hier nichts!
Okay, wie dem auch sei: Außerdem trennte jener Betreuer mich mit einem Eimer kalten Wasser in der letzten Nacht von einer attraktiven Frau aus dem Nachbar-Trakt. Ey, es ist ja nicht so, als hätte ich viele vergleichbare Chancen in meiner Jugend gehabt.
Bei all dem tat er aber immer noch, als wäre er unser Kumpel. Kumpel am Arsch!
Ihr ahnt es sicher schon, denn die Auflösung dieser Geschichte liegt auf der Hand: Bei dieser Frau, mit der ich nach dem Wassereimer zum Glück noch richtig was hatte, handelte es sich natürlich um Campino. Später hat er sich allerdings nie mehr gemeldet. Überlieferter O-Ton durch seinen flinken kleinen Boten Vom Ritchie, das sei ihm alles „zu schwul!“.
Kein Wunder, dass die Kapelle des heteronormativen Romantikpunk-Spießer bis heute die Toten Hosen darstellen.
Ach so, und dieser Betreuer? Es stellte sich später heraus, dass es sich dabei um Sigmar Gabriel handelte. Mit anderen Worten: Er hat seine gerechte Strafe auf jeden Fall erhalten, JAOK!

Die Toten Hosen (II)
Letztens geträumt, es gäbe eine neue Best-Of-Platte der „Düsseldorfer Kulttruppe“ (Zitat: Sigmar Gabriel). Der Name des Albums lautete: „Ihre dümmsten Erfolge“. Dann verliert sich die Erinnerung, aber ich könnte wetten, es war „10 kleine Jägermeister“ drauf.

20160720_151657_resizedOHL
Der Sänger gab sich einen Künstlernamen, der vermutlich sogar den Onkelz damals zu stumpf gewesen wäre. Jenem allerdings nicht – und so nennt er sich bis heute „Deutscher W“.
Nun, früher hat man OHL vor allem deshalb gehört, weil es die eingesessenen und rest-bürgerlichen Punk-Honoratioren im eigenen Umfeld so empörte. Das kann man auf jeden Fall gelten lassen.
Ansonsten aber: Eine Runde Mitleid. Natürlich für diese retardierte Gruppe aus Leverkusen – und aber vor allem für jene (und das sind nicht wenige), die irgendwann mal – und mit welcher Agenda auch immer – behaupten haben, OHL seien etwas anderes als ganz arme, äußerst unangenehme Würste.

Green Day
Andrea „Kiwi“ Kiewel stromert durch die Kulisse des ZDF-Fernsehgartens. Dahinten baut diese Punk-Band aus Amerika auf. Lieber Geldbörse festhalten, lieber nicht so nah rangehen, vielleicht können die Glassplitter spucken – oder riechen wie ein Iltis. Doch dann fasst sich „Kiwi“ ein Herz. Schließlich ist sie nicht nur Moderatorin sondern eigentlich Journalistin. Am Ort des Geschehens wird ihre Freude groß. Wow, die sehen ja cool aus und sind dennoch so nett. Helfen in den Mantel, geben ihr einen Handkuss, füllen ohne Murren die GEMA-Zettel für die Verwaltung aus. Auch die Musik, vor der sie sich eben noch fürchtete, klingt eigentlich ganz manierlich. Ja, sie findet es sogar richtig fetzig. Danke, Green Day. Ihr könnt jederzeit wiederkommen, klar, dürfen eure Kinder auch mal ein Praktikum beim ZDF machen – und ihr stinkt auch gar nicht. (Irrtum!)

EA80
Die Band für alle, denen die Gothic-Szene immer eine Nummer zu groß war.

Diese Kolumne erscheint in abgewandelter Form auch in dem Punk- und Odachlosen-Magazin Plastic Bomb.

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